(Hintergrund) Der «Ioannina-Mechanismus»

03.10.2007 13:58

Brüssel (dpa) - Die Staats- und Regierungschefs der EU
vereinbarten 1994 in Ioannina (Griechenland) einen Mechanismus, der
dann greift, wenn im Ministerrat eine qualifizierte Mehrheit nur ganz
knapp zustande kommt. Er sieht erneute Beratungen auch dann vor, wenn
die Sperrminorität im Ministerrat zwar nicht erreicht wird, aber
immerhin 75 Prozent davon. In diesem Fall soll «innerhalb einer
angemessenen Zeit» noch einmal alles versucht werden, eine
«zufriedenstellende Lösung für die (...) vorgebrachten Anliegen zu
finden».

Polen hatte im Juni durchgesetzt, dass die bisherige
Stimmengewichtung im Rat bis März 2017 weiter gelten kann. Sie sieht
die qualifizierte Mehrheit erreicht, wenn die Mehrheit der Mitglieder
mit insgesamt 255 Stimmen (73,9 Prozent) zustimmt. Ab 2017 soll dann
die Stimmengewichtung wegfallen und die «doppelte Mehrheit» gelten:
Mindestens 55 Prozent der Staaten mit mindestens 65 Prozent der
Bevölkerung. Der «Ioannina-Mechanismus» soll weiterhin gelten - und
zwar dann, wenn 55 Prozent der für die Sperrminorität erforderlichen
Zahl der Bevölkerung oder Mitgliedstaaten erreicht sind.

In der EU-Praxis spielt der «Ioannina-Mechanismus» keine Rolle,
weil der Ministerrat stets nach breiten Mehrheiten sucht. Polen
verlangt, dass die in Ioannina vereinbarte Vorgehensweise nicht als
«Erklärung» den Reformverträgen angefügt, sondern Teil der Vertr
äge
wird. Außerdem betrachtet Polen zwei Jahre als «angemessene Zeit»,
während die anderen EU-Staaten von drei bis vier Monaten ausgehen.
dpa eb xx w4 ch