Europa bereitet Milliardenhilfen für Portugal vor Von Christian Böhmer, dpa

24.03.2011 18:51

Die EU beschließt ein beispielloses Paket zur Absicherung des Euro.
Doch die schwere Schuldenkrise geht weiter. Portugal ist der nächste
Kandidat für Milliardenhilfen. Der abgetretene Ministerpräsident
Socrates macht beim EU-Gipfel in Brüssel gute Miene zum bösen Spiel.

   Brüssel (dpa) - Das hoch verschuldete Portugal ist der nächste

Kandidat für Milliardenhilfen der Euro-Partner. Der Rücktritt von
Ministerpräsident José Socrates und die schwere politische Krise in
dem Land belasteten am Donnerstag den EU-Gipfel in Brüssel.

   Die EU-Partner riefen das ärmste Land Westeuropas auf, das harte

Sparprogramm ungeachtet der Turbulenzen durchzuhalten. Das
eigentliche Thema des zweitägigen Treffens, ein Paket zur Absicherung
des Euro, rückte in den Hintergrund.

   Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker sagte dem französischen
Nachrichtensender France 24, für Portugal sei die Summe von 75
Milliarden Euro «angemessen» - falls Lissabon Unterstützung
beantragen sollte. Juncker ist Vorsitzender der Euro-Finanzminister,
deshalb hat seine Stimme besonderes Gewicht.

   Bisher bekommt nur das von einer schweren Bankenkrise erschütter
te
Irland Milliardenhilfen aus dem Rettungsfonds der Europäer und vom
Internationalen Währungsfonds. Schuldensünder Griechenland profitiert
von einem Extra-Paket.

   Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach einem Gespräch mit dem

zurückgetretenen Socrates, dieser habe Anfang März ein «sehr
ambitioniertes Reformprogramm» vorgeschlagen.

   «Es wird jetzt darauf ankommen, dass alle, die in Portugal heute

Verantwortung tragen oder oder eventuell morgen Verantwortung tragen,
sich zu den Zielen dieses Programmes bekennen, damit auch hier
Vertrauen der Märkte wachsen kann», forderte die Kanzlerin.

Socrates war im Parlament mit dem Sparpaket gescheitert und dann
zurückgetreten. In Brüssel sagte er: «Ich bin hier, um Portugal zu
verteidigen, um die Gemeinschaftswährung zu verteidigen, und um das
europäische Projekt zu verteidigen.»

   Auf mögliche Hilfen ging er nicht ein. Laut Diplomaten wird
bereits hinter den Kulissen unter Rechtsexperten beraten, zu welchen
Bedingungen eine geschäftsführende Regierung ein Hilfspaket mit
Europa verhandeln kann. Die Ratingagentur Fitch senkte die
Kreditwürdigkeit Portugals um zwei Noten.

   Die EU-«Chefs» wollten beim Gipfel eine historische Reform der

Euro-Währung beschließen. Dazu gehören strengere Strafen für
Defizitsünder und ein neuer Krisenfonds für klamme Eurostaaten. Die
Schuldenkrisen in Griechenland und Irland hatten die Euro-Währung in
schwere Turbulenzen gestürzt.

Gipfelchef Herman Van Rompuy sagte: «Das ist ein Wendepunkt im
Krisenmanagement. Aber die Probleme sind noch nicht alle vorbei.»

Rund 20 000 Menschen protestierten auf den Straßen Brüssels gegen
die drastische Sparpolitik vieler EU-Staaten. In der Nähe des
Ministerratsgebäudes, wo der Gipfel tagte, kam es zu Ausschreitungen.

   Die EU-Spitzenpolitiker wollten auch über die Lage in Libyen
beraten. Die EU-Länder sind in der Frage des Militäreinsatzes
gespalten. Während Frankreich und Großbritannien an vorderster Front
kämpfen, hält sich Deutschland aus dem Konflikt heraus.

   Merkel sprach sich erneut für ein komplettes Öl-Embargo und
Handelseinschränkungen gegen Libyen aus. «Hier ist mir sehr wichtig,
dass wir zu einem vollständigen, umfassenden Öl-Embargo kommen
seitens der Europäischen Union».

   Merkel pochte angesichts der Erdbeben- und Reaktorkatastrophe in
Japan auf scharfe Sicherheitsüberprüfungen aller Atomkraftwerke in
Europa. «Wir werden hier hoffentlich vereinbaren, dass es Stresstests
für alle Kernkraftwerke gibt.» Das Sicherheitsniveau müsse das
höchstmögliche sein. In Europa gibt es 143 Atomkraftwerke, davon 17
in Deutschland.

   Deutschland hatte das Thema zusätzlich als Tagesordnungspunkt
angemeldet. Berlin argumentiert, die Sicherheit der Kernkraftwerke
innerhalb der Europäischen Union gehe alle Mitgliedstaaten
gleichermaßen etwas an.

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