Iveta Radicova: Premierministerin verbindet Schicksal mit Europa

11.10.2011 14:25

Bratislava (dpa) - Noch im vergangenen Wahlkampf wetterte Iveta
Radicova gegen Hilfen für Griechenland. Doch nun verknüpft die
slowakische Premierministerin ihr politisches Schicksal mit der
Erweiterung des Euro-Rettungsschirms EFSF - und droht darüber mitsamt
ihrer Regierung zu stürzen. «Die Vertrauenswürdigkeit der Slowakei
hat für mich Priorität», sagte die 54-Jährige und verknüpfte das

Votum über die EFSF-Erweiterung mit der Vertrauensfrage. Weil der
neoliberale Koalitionspartner SaS kurz vor der Abstimmung Radicova
die Gefolgschaft verweigerte und auch die Opposition unter Ex-Premier
Robert Fico gegen sie stimmen will, stand damit die erst seit Juli
2010 amtierenden Regierung vor dem Aus.

Indem Radicova die Vertrauensfrage mit dem EFSF verbindet, vollzog
sie eine deutliche Kehrtwende. Noch 2010 machte sie Wahlkampf mit der
Parole: «Slowakische Rentner sollen nicht für reichere Griechen
zahlen müssen!» Auch mit diesen Sprüchen verdrängten die vier
bürgerlichen Parteien schließlich den bisherigen sozialdemokratischen
Premierminister Robert Fico. Sofort nach dem Regierungsantritt sorgte
das Radicova-Kabinett dafür, dass sich die Slowakei als einziges
Mitgliedsland der Eurozone nicht an der Griechenlandhilfe beteiligte.

Anfangs waren sich Radicova und ihre Koalitionspartner einig
darin, alle Pläne eines Euro-Rettungsschirmes abzulehnen: Es sei ein
Fehler, «Schulden mit noch mehr Schulden zu bekämpfen», hieß es in

der Koalition einhellig. Obwohl diese Haltung auch sinngemäß im
Regierungsprogramm festgeschrieben wurde, hält inzwischen nur noch
die neoliberale SaS daran fest. Radicova begründete ihre Umdenken
schon Ende Juli 2011: «Jetzt geht es nicht mehr um einzelne Länder,
sondern um den Euro an sich.»

Die studierte Soziologin hatte sich dem Kampf gegen Korruption
verschrieben und sich auch dadurch die Zuneigung der slowakischen
Bevölkerung gesichert. Sie ist nicht nur die erste Frau, die in der
traditionell männerdominierten slowakischen Politik eine Regierung
führt. Mit ihr hat erstmals auch eine Regierungschefin nicht zugleich
den Parteivorsitz inne.

Nach ihrem Studium hatte Radicova unter anderem in der
Slowakischen Akademie der Wissenschaften gearbeitet. Später stand sie
an der Spitze des Zentrums für Analysen der Sozialpolitik und war
Gastprofessorin an mehreren Universitäten in Europa und den USA.
Mit der Politik kam sie zuerst nach dem Sturz des kommunistischen
Regimes in der Tschechoslowakei in Berührung. Mitglied der
slowakischen Regierung wurde die Mutter einer Tochter erstmals 2005.
Im selben Jahr starb ihr Ehemann.

Innerhalb ihrer christlich-liberalen Partei SDKU haben heute
Parteichef und Außenminister Mikulas Dzurinda und Finanzminister Ivan
Miklos das Sagen. Beiden wurde in den vergangenen Monaten immer
wieder vorgeworfen, gegen Radicova zu intrigieren und auf ihren Sturz
hinzuarbeiten.

# dpa-Notizblock

## Internet - [Slowakische Regierung]( http://www.vlada.gov.sk),
- [Slowakisches Parlament]( http://www.nrsr.sk),
- [Deutschsprachiges Blog des slowakischen Parlamentspräsidenten
Sulik gegen den EFSF]( http://dpaq.de/pS9K8)