Wider den Etikettenschwindel: Neues EU-Bio-Logo wird im Juli Pflicht Von Jan-Henrik Petermann, dpa

25.06.2012 16:25

Nicht immer ist «Bio» drin, wenn «Bio» draufsteht. Die Tricks einig
er
Lebensmittelerzeuger bei der Kennzeichnung von Ökoprodukten haben
Verbraucherschützer alarmiert. Ein neues Bio-Logo wird jetzt EU-weit
Pflicht. Manch einem geht die Regelung allerdings nicht weit genug.

Hannover/Brüssel/Berlin (dpa) - Verbindliche Pflicht statt
freiwilliger Werbestrategie: Von diesem Sonntag (1. Juli) an müssen
alle Erzeuger verpackter Biolebensmittel nachweisen, dass ihre Ware
wirklich nach den Standards für ökologischen Landbau im europäischen

Binnenmarkt hergestellt wurde. Die EU begreift das neue Bio-Logo als
Transparenz-Offensive. Doch Kritiker sehen noch Verbesserungsbedarf.

Wie sieht das neue Bio-Logo der EU aus?

Die aus der EU-Flagge bekannten zwölf Sterne sind als geschwungenes
Blatt auf grünem Hintergrund zu sehen. So will die EU-Kommission
einen hohen Wiedererkennungswert sicherstellen. Dabei lassen es die
Fachbeamten von Agrarkommissar Dacian Ciolos nicht an Pathos mangeln:
Das neue Logo symbolisiere eine Art «Hochzeit» Europas mit der Natur,
heißt es. In direkter Nähe des Emblems sind ein Kontrollcode sowie
der Herkunftsort der Rohstoffe angegeben. Unterschieden wird zwischen
EU-Quellen, Nicht-EU-Quellen und einer Mischvariante.

Was bedeutet das Logo für die Verbraucher?

Käufer von verpackten Lebensmitteln wie Bio-Brot, Bio-Marmelade oder
Bio-Gemüsesuppe sollen die Garantie haben, dass die Produkte auf
Basis geltender EU-Verordnungen (EC 889/2008, EU 271/2010) offiziell
als solche eingestuft werden dürfen. Ziel ist es, damit das Vertrauen
in die Qualität zu stärken. Die Verbraucherorganisation Foodwatch
sieht das insgesamt positiv: «Es ist gut, dass es für Bioprodukte ein
verpflichtendes Siegel gibt», sagt Sprecherin Christiane Groß. «Nur
staatliche Gütesiegel, für die der Gesetzgeber Kriterien vorschreibt,
sind für Verbraucher eine verlässliche Orientierung beim Einkauf.»

Was müssen Bio-Produzenten künftig beachten?

Mindestens 95 Prozent der Inhaltsstoffe eines Bioprodukts müssen aus
zertifiziertem Ökolandbau stammen. Höchstens 5 Prozent dürfen dagegen

aus konventioneller Landwirtschaft kommen. Aus Sicht des Bundes für
Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) war eine rechtliche
Festlegung solcher Standards nicht unbedingt nötig - auch wenn das
mögliche Plus an Transparenz auf Zustimmung stößt. «Man kann sich
darüber streiten, ob man ein obligatorisches Logo will. Wir hatten
uns für ein freiwilliges ausgesprochen», erklärt BLL-Rechtsexperte
Marcus Girnau. «Aber nun sind gewisse Mindestanforderungen erfüllt.»


Habe ich das neue EU-Logo nicht schon oft gesehen?

Eigentlich ist das neue Logo schon seit zwei Jahren vorgeschrieben.
Um Herstellern die Anpassung zu erleichtern und nicht unnötig Müll
durch alte Verpackungen zu produzieren, hatte Brüssel eine
Übergangsfrist bis Ende Juni 2012 gewährt. «Für uns war das wichtig
,
damit Ware mit dem alten Logo abverkauft werde konnte», sagt Girnau.

Gibt es Ausnahmen von der neuen Kennzeichnungspflicht?

Das neue Logo gilt nur für bereits verpackte Bio-Lebensmittel, die in
einem EU-Mitgliedstaat hergestellt wurden und die Vorschriften der
Union zum ökologischen Landbau erfüllen. Ausgenommen ist «lose Ware
»
wie frisches Obst und Gemüse; sobald diese verschweißt wird, greift
auch hier die Definition der Verpackung und Kennzeichnungspflicht.
Nicht erfasst sind zudem Fleisch und Fisch aus wilder Jagd, Kosmetik
sowie Textilien oder Produkte, für die es nur nationale Regeln gibt.

Können die Anbieter von Bio-Lebensmitteln freiwillig mehr tun?

Unverpacktes kann weiterhin mit eigenen Qualitätssiegeln ausgewiesen
werden. Laut EU-Kommission gilt auch für andere Logos Bestandsschutz:
«Nationale und private Etiketten bleiben gültig und können auf
Bio-Produkten neben dem Euro-Blatt abgebildet werden» - darunter das
vor elf Jahren eingeführte deutsche Bio-Siegel, ein weißes Sechseck
mit grünem Rand. Sie dürfen aber nur als Ergänzung, nicht anstatt des

verbindlichen EU-Logos auf die Packung gedruckt werden. «Die Frage
eines gemeinsamen Logos war zunächst umstritten», sagt Alexander Beck
vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). «Das neue EU-Logo

wird aber sicherlich seine Bedeutung am Markt bekommen.»

Wo sehen Verbraucherschützer noch Nachbesserungsbedarf?

Foodwatch kritisiert, dass die Verbraucher trotz des Bekenntnisses zu
mehr Transparenz bei vielen Produkten getäuscht werden können. «Mit
dem Bio-Siegel verkauft werden etwa Limonaden, in denen kein Tropfen
Fruchtsaft steckt, sondern der Geschmack mit Aromastoffen aus
Papierabfällen und Schimmelpilzen erzeugt wird», moniert Groß.
«EU-Biosiegel hin oder her: Die europäische Politik muss Lücken der
Öko-Verordnung schließen und dafür sorgen, dass Bio ehrlicher wird.
»
Die Erzeuger mahnen dagegen an, das Logo mit öffentlichen Kampagnen
bekanntzumachen: «Was fehlt, ist, dass Kommission und Bund Geld in
die Hand nehmen und es den Verbrauchern erklären», fordert Beck.

# dpa-Notizblock

## Redaktionelle Hinweise
- Zu den verschiedenen Lebensmittel-Siegeln auch privater Anbieter
hat der dpa-Themendienst eine Meldung gesendet (ca. 35 Zl).

## Internet
- [EU-Kommission zum neuen Bio-Logo (englisch)](http://dpaq.de/ayFC0)
- [Label-Suchmaschine der
Verbraucher-Initiative](http://dpaq.de/G5BXX)

## Orte
- [Foodwatch](Brunnenstraße 181, Berlin)
- [BÖLW](Marienstraße 19-20, Berlin)
- [BLL](Claire-Waldoff-Straße 7, Berlin)
- [EU-Kommission](Rue de la Loi 200, B-1049 Brüssel, Belgien)