Wirtschaftsethiker: Europa muss bei Steuern mehr zusammenarbeiten
02.01.2013 04:15
Berlin (dpa) - Der Berliner Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann
hat die europäischen Staaten aufgefordert, in Sachen Steuermoral
enger zusammenzuarbeiten. Mit Blick auf Griechenland sagte Thielemann
der Deutschen Presse-Agentur: «Es darf nicht sein, dass europäische
Staaten Steuerflüchtlingen helfen und damit letztlich ihre eigenen
Bürger zwingen, die in Griechenland entstandenen Steuerlücken durch
"Rettungspakete" auszugleichen, um wiederum den Euro zu retten.» Ein
ermutigender Schritt hin zu mehr Kooperation in Steuersachen sei,
dass neben der Schweiz nun auch Luxemburg «kaum mehr darum
herumkommt, den automatischen Informationsaustausch auch EU-weit
anzuerkennen».
Thielemann wies darauf hin, dass die wohlhabenden Griechen schon
vor der Krise steuerlich privilegiert worden seien. So konterten die
Reeder jede nennenswerte Besteuerung damit, dann eben ins Ausland zu
gehen. In der Krise hätten die wohlhabenden Griechen das sinkende
Schiff verlassen. Sie verschoben oder verschieben noch ihr Vermögen
etwa in die Schweiz oder nach Luxemburg «oder sie versuchen ihr
unversteuertes Vermögen hier in Berlin in Betongold umzuwandeln»,
sagte der Wirtschaftswissenschaftler zur offensichtlich zunehmenden
Zahl griechischer Investitionen in deutsche Immobilien.
Thielemann widersprach der Darstellung, in der Schulden- und
Währungskrise gehe es um einen Konflikt zwischen Staaten wie
Deutschland und Griechenland. Es gehe hier im wesentlichen um einen
Konflikt zwischen Kapital und Realwirtschaft. «Seit den 1980er Jahren
haben praktisch alle Staaten eine neoliberale Reformpolitik
installiert, die darin bestand, das Kapital zu hofieren.»
Der Wirtschaftswissenschaftler sprach sich für eine wesentlich
höhere Kapitalbesteuerung aus. Er verwies auf die Zeiten des
deutschen Wirtschaftswunders, als hohe Kapitalbesteuerung, hohes
Wachstum und breite Teilhabe am Wohlstand zusammentrafen und
erläuterte: «Auch wenn man zu diesen hohen Wachstumsraten nicht mehr
zurückkommt und auch nicht mehr zurückkommen soll, ist die
Kapitalbesteuerung ein Schlüssel für das wirtschaftliche Wohlergehen
breiter Bevölkerungskreise und für die faire Teilhabe aller am
Wohlstand.»