: Nationalratswahl, nicht: Bundestagswahl) Gute Chancen für Rechtspopulisten bei der Europawahl
18.03.2014 14:38
Sie heißen FPÖ, Front National, Partei für die Freiheit oder Goldene
Morgenröte: Rechte Parteien setzen in vielen EU-Staaten auf den Frust
über die Brüsseler Krisenpolitik - und hoffen darauf, möglichst viele
Abgeordnete ins neue Europaparlament zu entsenden.
Berlin (dpa) - Bei der Europawahl Ende Mai könnten in vielen der
28 EU-Mitgliedstaaten Rechtspopulisten erstarken. Im folgenden ein
Überblick über die Wahlchancen rechtslastiger Parteien.
FRANKREICH: Mit einer Distanzierung von klar rechtsradikalem
Gedankengut hat Marine Le Pen die Front National zu einer für viele
Franzosen wählbaren Partei gemacht. Offene Ausländerfeindlichkeit und
Antisemitismus sind unter der Führung der 45-Jährigen inzwischen
tabu, stattdessen wird populistisch auf Themen wie Rente mit 60, mehr
Sicherheit sowie eine Abgrenzung von EU und Nato gesetzt. Bei der
Europawahl könnte die FN laut Umfragen zweitstärkste oder sogar
stärkste französische Partei werden. Meinungsforschern zufolge
profitiert sie vor allem von der Unbeliebtheit der linken Regierung
unter Staatschef François Hollande sowie den Affären und Streitereien
in der konservativen UMP von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Die
schlechten Umfragewerte der Regierung werden vor allem auf die
Arbeitslosigkeit zurückgeführt, die etwa doppelt so hoch ist wie in
Deutschland.
NIEDERLANDE: Die «Partei für die Freiheit» (PVV) des
Rechtspopulisten Geert Wilders könnte nach ersten Umfragen mit 16,6
Prozent der Stimmen und fünf Sitzen als stärkste Kraft aus der
Europawahl hervorgehen. Wilders fährt einen harten Abgrenzungskurs
gegen Europa. Gemeinsam mit der Vorsitzenden der französischen Front
National, Marine Le Pen, will er ein neues Rechtsbündnis im
EU-Parlament schmieden. Er kritisiert den freien Zuzug von
Arbeitnehmern vor allem aus Osteuropa und macht sich stark für einen
EU-Austritt der Niederlande sowie die «Befreiung vom Diktat
Brüssels». Im niederländischen Parlament ist die Wilders-Partei
drittstärkste Fraktion, sie wird jedoch weitgehend von den übrigen
Parteien isoliert.
GRIECHENLAND: Die rechtsextremistische und rassistische
griechische Partei Goldene Morgenröte (Chrysi Avgi) ist in allen
Umfragen für die Europawahl drittstärkste Kraft. Sie könnte etwa
sechs bis neun Prozent bekommen und damit einen oder zwei Abgeordnete
der 21 Mandatsträger Griechenlands stellen. Zahlreichen
Parteifunktionären, darunter auch Parteichef Nikolaos Michaloliakos,
wirft die griechische Justiz vor, eine kriminelle Vereinigung
gebildet zu haben. Der Parteichef und fünf weitere Abgeordnete sind
bereits inhaftiert. Die Partei profitiert vom Frust vieler Bürger,
die die etablierten Politiker und Parteien wegen der schweren
Finanzkrise abstrafen wollen. Eine Hauptforderung ist, alle Ausländer
- vor allem Asiaten und Afrikaner - aus Nicht-EU-Staaten aus
Griechenland auszuweisen. Zudem verlangt die Partei den Austritt
Griechenlands aus der Eurozone. Mitglieder zeigen öfter den
Hitlergruß.
In GROßBRITANNIEN könnte die Europawahl laut Umfragen zu einem
Triumph der rechtspopulistischen United Kingdom Independence Party
(UKIP) um ihren Parteichef Nigel Farage werden. Demoskopen sehen die
Euroskeptiker derzeit bei 26 Prozent - und damit vor den regierenden
Torys von Premierminister David Cameron. Einige Experten rechnen
damit, dass UKIP bis zum Wahltag auch noch die derzeit führende
Labour-Partei überholen könnte. Die UKIP steht vor allem für den
Austritt Großbritanniens aus der EU und für eine deutliche Begrenzung
der Zuwanderung. So sollen Einwanderer in den ersten fünf Jahren
keinen Anspruch auf Sozialleistungen und ihre Kinder kein Recht auf
freie Bildung haben. Kaum Chancen werden dagegen der noch weiter
rechts stehenden British National Party (BNP) eingeräumt, obwohl sie
2009 immerhin auf sechs Prozent gekommen war.
ÖSTERREICH: Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) rechnet
fest mit einem neuerlichen Einzug ins Europaparlament. In
verschiedenen Umfragen werden der Partei knapp über 20 Prozent
prognostiziert, sie könnte aus der Europawahl als große
Wahlgewinnerin hervorgehen. Mit Kritik an der EU und
fremdenfeindlichen Tönen spricht die Partei vor allem Protestwähler
an. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache positioniert sich als Kämpfer
für den «kleinen Mann». Auf EU-Ebene ist er mit anderen rechten
Partei-Chefs gut vernetzt. Bei der vergangenen Nationalratswahl kam
die FPÖ mit 20,50 Prozent der Stimmen auf den dritten Platz.
In ITALIEN hat sich die Lega Nord «regionalen Nationalismus»,
Föderalismus und Autonomie auf die Fahnen geschrieben. Sie zählt zu
den klassischen rechtspopulistischen Parteien in Europa. Zeitweise
durch Silvio Berlusconi in eine Mitte-Rechts-Koalition eingebunden,
driftet die im Jahr 1989 gegründete «Lega Nord für die Unabhängigke
it
Padaniens» inzwischen wieder allein durch die Parteienlandschaft -
immer in Konfrontation zum armen Süden und zur Hauptstadt Rom. Bei
den Parlamentswahlen im Februar 2013 halbierte sich ihr Stimmenanteil
gegenüber 2008. Bei den Europawahlen 2009 hatte die inzwischen von
Roberto Maroni geleitete Partei noch ihr bestes europäisches Ergebnis
erzielen können: 10,2 Prozent und damit neun Mandate. Populismus ist
in Italien heute gewichtiger in anderen Gruppierungen vertreten, die
nicht zu den Rechtsextremisten zu zählen sind - beispielsweise in
Beppe Grillos «Fünf-Sterne-Bewegung».
In FINNLAND stehen die rechtspopulistischen «Wahren Finnen» gut
da. Sie sind drittstärkste Kraft im Parlament. Und ein Abgeordneter
der Partei von Timo Soini sitzt schon im Europaparlament: der
36-jährige Sampo Terho. Bei einer Umfrage des finnischen Rundfunks
zur Europawahl wurden sie Ende 2013 nach Konservativen und
Zentrumspartei drittstärkste Partei. Die «Wahren Finnen» haben sich
von einer kleinen Protestpartei zu einer wichtigen Kraft entwickelt,
obwohl sie regelmäßig wegen rassistischer oder sexistischer
Äußerungen am Pranger der Medien stehen. Die Partei ist unter anderem
strikt gegen Hilfszahlungen an überschuldete EU-Länder.
In DÄNEMARK gilt die rechtspopulistische Volkspartei (Dansk
Folkeparti - DF) als Architektin der rigiden Ausländerpolitik und hat
in den vergangenen Jahren noch einmal stark an Unterstützung
gewonnen. Bei Meinungsumfragen war die DF zuletzt sogar die Partei
mit dem zweitgrößten Zuspruch. Vor allem gegen die Einwanderung von
Muslimen fährt sie eine harte Linie. Bei der Europawahl 2009 errang
die DF bereits zwei Mandate - und hat auch diesmal gute Chancen,
wieder in das Parlament einzuziehen.
In SCHWEDEN wurden die Schwedendemokraten bis vor einigen Jahren
dem rechtsextremistischen Lager zugerechnet, sie selbst nennen sich
nationalistisch. Noch sitzen die «Sverigedemokraterna» nicht im
Europaparlament, doch stecken sie viel Geld in ihren Wahlkampf.
Parteivorsitzender ist seit 2005 Jimmie Åkesson. Zwei bis drei
Mandate erhofft er sich. Die Schwedendemokraten wollen den
«Erweiterungseifer» der EU dämpfen und Grenzkontrollen wieder
einführen.
DEUTSCHLAND: Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)
gilt als bedeutendste rechtsextreme Kraft in der Bundesrepublik.
Ausländerhass und Antisemitismus sind laut Bundesamt für
Verfassungsschutz in der Partei tief verwurzelt. Der Bundesrat hat im
Dezember einen neuen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht
eingereicht. Derzeit ist die NPD in den Landtagen von Sachsen und
Mecklenburg-Vorpommern vertreten. Bei der Bundestagswahl 2013
erreichte sie nur 1,3 Prozent. Nachdem das Bundesverfassungsgericht
die Drei-Prozent-Klausel bei der Europawahl gekippt hat, hofft die
NPD auf ihren ersten Einzug ins Straßburger Parlament.
In der SLOWAKEI hetzt die minderheitenfeindliche Nationalpartei
SNS gegen slowakische Ungarn und Roma - Ausländer gibt es in der
Slowakei kaum. Aber auch Homophobie ist der Partei nicht fremd.
Derzeit ist die SNS mit einem Abgeordneten (Jaroslav Paska) im
Europaparlament vertreten. Aus dem slowakischen Parlament flog sie
hingegen 2012 hochkantig hinaus, nachdem ihre Minister bei einer
früheren Regierungsbeteiligung mehr durch Korruptionsverdacht als
konstruktive Arbeit auffielen. In nationalen Umfragen bewegt sich die
SNS seit mehreren Monaten an der für einen Parlamentseinzug in der
Slowakei gültigen Fünfprozenthürde.
In LETTLAND ist die Nationale Allianz derzeit mit 13 Abgeordneten
im Parlament vertreten und gehört seit 2011 der Regierung an. Im
EU-Parlament hat die Partei derzeit einen Abgeordneten, der der
Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten angehört.
Anfang März kam sie in einer Umfrage auf den vierten Platz in der
Wählergunst. Die Partei beteiligt sich traditionell am umstrittenen
Gedenkmarsch der lettischen SS-Veteranen in Riga.
In LITAUEN tritt die rechtspopulistische Partei «Partei für
Ordnung und Gerechtigkeit» an. Gründer und Vorsitzender ist der 2004
wegen Amtsmissbrauchs abgesetzte Ex-Präsident Rolandas Paksas. Er
selbst darf deshalb kein öffentliches Amt in Litauen mehr bekleiden,
sitzt aber seit 2009 im EU-Parlament. Dort gehört er als einer von
zwei gewählten EU-Abgeordneten der Partei der Fraktion Europa der
Freiheit und der Demokratie an.