EU-Parlament erhöht Druck im Postenpoker - Rückendeckung für Juncker

27.05.2014 17:05

Die Konservativen haben die Europawahl gewonnen - und beanspruchen
den Posten des EU-Kommissionschefs. Doch zunächst sind die EU-Staats-
und Regierungschefs an der Reihe. Sie treffen sich zum Gipfel in
Brüssel.

Brüssel (dpa) - Im Machtkampf um die neue Führung der Brüsseler
EU-Kommission erhöht das Europaparlament den Druck. Unmittelbar vor
dem Sondertreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Dienstagabend
stellten sich die Fraktionen der Volksvertretung hinter den
Spitzenmann der Konservativen, Jean-Claude Juncker (59). Der frühere
luxemburgische Premier war bei der Europawahl als stärkster Anwärter
auf den Posten des Kommissionschefs hervorgegangen.

«Der Kandidat der größten Gruppe, Jean-Claude Juncker, wird als
Erster versuchen, die nötige Mehrheit zu bilden», schrieben die
Fraktionschef nach einem Treffen in einer gemeinsamen Erklärung.
Damit lässt der zweitplatzierte Sozialdemokrat Martin Schulz (58)
seinem konservativen Konkurrenten den Vortritt.

«Nach den Regeln beginnt der Stärkste», resümierte Schulz (SPD).
Juncker habe «ein klares Mandat», um mit den anderen politischen
Gruppen zu verhandeln, teilte der Fraktionschef der Sozialdemokraten,
Hannes Swoboda, mit.

Die Vorsitzende der Linken-Fraktion, Gabriele Zimmer, berichtete,
zwei politische Gruppen hätten die Erklärung nicht mitgetragen. Das
seien die EU-Skeptiker der Europäischen Konservativen und Reformisten
(EKR), zu denen die britischen Konservativen gehören, und die Gruppe
Europa der Freiheit und der Demokratie (EFD), zu der auch der
britische Rechtspopulist Nigel Farage von der UKIP zählt.

Die Kür des Nachfolgers von José Manuel Barroso an der Spitze der
Kommission ist ausgesprochen kompliziert. Denn zunächst müssen die
EU-Staats- und Regierungschefs einen Anwärter vorschlagen. Diplomaten
rechneten damit, dass die «Chefs» dem EU-Ratspräsidenten Herman Van
Rompuy den Auftrag geben, mit dem Parlament zu sprechen.

Am Abend solle es keine Festlegung auf Namen geben, hieß es. Mit
einer Entscheidung werde erst in einigen Wochen gerechnet. Der
Kommissionspräsident wird vom Parlament mit absoluter Mehrheit
gewählt. Dies könnte im Juli passieren.

Die Konservativen wurden bei den Europawahlen am Sonntag die stärkste
Kraft mit 213 Sitzen, das entspricht 28,3 Prozent. Die
Sozialdemokraten als zweitstärkste Kraft (191 Sitze oder 25,4
Prozent) werden laut Swoboda Juncker aber nur unterstützen, falls
sein Programm «die Bedürfnisse und Sorgen der EU-Bürger»
berücksichtige.

In der Wahlnacht hatte Schulz noch gesagt, er wolle «auch eine
Initiative ergreifen, um eine Mehrheit für (sein) Programm zu finden»
- und sich zum Kommissionspräsidenten wählen zu lassen.

Auf europäischer Ebene sind noch weitere prestigeträchtige
Spitzenposten zu besetzen. Dazu gehören der EU-Ratsvorsitzende, der
die EU-Gipfel leitet, der EU-Außenbeauftragte und möglicherweise auch
ein hauptamtlicher Chef der Euro-Finanzminister.

Ein weiteres Thema des Abend-Gipfels der Staatenlenker wird das
Erstarken rechtsorientierter und populistischer Kräfte in vielen
Mitgliedstaaten sein. Die Vorsitzende der rechtsextremen Front
National in Frankreich, Marine Le Pen, forderte in Paris erneut ein
Referendum über einen Austritt Frankreichs aus der EU. Die FN hatte
sich bei der Europawahl in Frankreich als stärkste Partei
durchgesetzt.

Die «Chefs» werden auch über die Lage in der Ukraine nach der
Präsidentenwahl vom Sonntag sprechen. Die EU hatte bereits die
Erklärung Moskaus begrüßt, den Willen des ukrainischen Volkes zu
achten und in einem Dialog mit dem neuen ukrainischen Präsidenten
Petro Poroschenko zu treten.