UN: Irak droht humanitäre Katastrophe - Millionen Notleidende

05.06.2015 08:44

Vereinte Nationen und EU schlagen Alarm: Ohne zusätzliche Hilfsgelder
für den Irak sei das Elend in dem vom Islamischen Staat gebeutelten
Land nicht in den Griff zu kriegen - es brauche mehr als 400
Millionen Euro.

Bagdad/Brüssel (dpa) - Nach jahrelanger massiver Gewalt der
Terrormiliz IS wird der Irak zunehmend von einer humanitären
Katastrophe bedroht. Die Lebensumstände von Millionen Menschen
könnten sich nach UN-Angaben dramatisch verschlechtern, weil
Hilfsgelder fehlten.

«Wenn es nicht mehr Unterstützung gibt, könnten in den kommenden
Wochen etwa die Hälfte der humanitären Programme gekürzt oder
eingestellt werden müssen», warnte Kyung Wha Kang vom UN-Nothilfebüro

am Donnerstag bei einem Krisentreffen in Brüssel. Es bestehe die
konkrete Gefahr, dass Millionen Menschen ohne sauberes Wasser,
Nahrung und medizinische Versorgung dastehen.

Um eine Katastrophe abzuwenden, rufen Europäische Union und Vereinte
Nationen nun dazu auf, für einen neuen Hilfsplan bis Jahresende knapp
eine halbe Milliarde US-Dollar (rund 441 Millionen Euro) zu
mobilisieren. Die EU erhöhte ihre Unterstützung für das laufende Jahr

am Donnerstag um 25 Millionen Euro auf mehr als 63 Millionen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtete zudem von
Krankheiten wie Masern oder Polio, die im Irak auf dem Vormarsch
seien: «Das zeigt uns, dass das Gesundheitssystem zusammengebrochen
ist», erklärte Generaldirektorin Margaret Chan.

«Die Zahl der Menschen im Irak, die lebensrettende Hilfe benötigen,
ist in weniger als einem Jahr um 400 Prozent gestiegen», kommentierte
der zuständige EU-Kommissar Christos Stylianides. Nach UN-Angaben
benötigen derzeit mehr als acht Millionen Iraker Hilfe. Die Zahl
drohe bis Ende des Jahres auf zehn Millionen anzusteigen.

Die Situation wird durch die blutigen Kämpfe zwischen dem IS und
Regimetruppen zusehends verschärft. So sind seit der Eroberung der
irakischen Provinzhauptstadt Ramadi vor etwa zweieinhalb Wochen nach
Angaben der Vereinten Nationen 85 000 Menschen auf der Flucht. Wie
das UN-Flüchtlingshilfswerk am Donnerstag berichtete, seien im
gesamten Land fast drei Millionen Menschen gezwungen worden, ihre
Häuser zu verlassen.

Die Rückeroberung Ramadis, das westlich von Bagdad liegt, geht nach
Aussagen eines Provinz-Politikers «sehr langsam» voran. Obwohl die
Stadt von drei Seiten umschlossen sei, habe es noch keinen Durchbruch
in Richtung Zentrum gegeben, sagte er einer lokalen Nachrichtenseite
am Donnerstag.

Nach gegenseitigen Vorwürfen zwischen Bagdad und Washington zum
schleppenden Kampf gegen die Extremisten sprechen die USA aber
zumindest davon, dem IS «enorme Verluste» zugefügt zu haben. 10 000
der Extremisten seien seit Beginn der Initiative vor neun Monaten
getötet worden, sagte Vize-Außenminister Antony Blinken dem Sender
France Inter. Trotzdem werde der Kampf noch Jahre andauern.