Schockbilder auf den Schachteln: EU-Tabakrichtlinie wird umgesetzt
16.12.2015 15:55
Die Lust am Rauchen soll vergehen - mit großen Gruselfotos auf
Verpackungen. Das erhofft die EU von den neuen Vorgaben, die auch
Deutschland bis Mai 2016 umsetzen muss.
Berlin (dpa) - Raucher müssen sich vom kommenden Frühjahr an auf
Schockfotos und größere Warnhinweise auf Zigarettenschachteln
einstellen. Von Mai 2016 an sollen zwei Drittel der Vorder- und
Rückseite von Zigaretten- und Drehtabak-Verpackungen für kombinierte
Warnbilder und aufklärende Texte reserviert sein - weit mehr als
bisher schon. Einen entsprechenden Gesetzentwurf von
Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hat das
Bundeskabinett an diesem Mittwoch in Berlin beschlossen.
Minister Schmidt sprach anschließend im Bundestag von einem
«ausgewogenen Regelungswerk». Im Zentrum stehe ein besserer
gesundheitlicher Verbraucherschutz. Zigaretten seien aber weiter ein
legales Produkt - deshalb werde es kein Produktionsverbot geben. Eine
Ausweitung des Werbeverbots wird in einem separaten Gesetz geregelt.
Deutschland und Bulgarien sind die einzigen EU-Länder, in denen es
noch kein umfassendes Tabakwerbeverbot gibt.
Der Deutsche Zigarettenverband kritisierte die umzusetzenden
EU-Pläne: «Das von der Bundesregierung verfolgte Ziel einer Senkung
der Raucherquote von Jugendlichen wird bereits mit der bestehenden
Regulierung ohne Schockbilder und Totalwerbeverbote erreicht.» Deren
gesundheitspolitische Wirksamkeit sei ohnehin nicht nachgewiesen.
Beim Branchenführer Philip Morris hieß es, man werde natürlich Sorge
dafür tragen, den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen: «Auch, wenn
es ein Kraftakt wird, die Produktion fristgerecht anzupassen.»
Die 2014 ausgehandelte EU-Richtlinie für Tabakprodukte muss bis 20.
Mai 2016 in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Vorgaben: Ob
krebsbefallene Lungen, faulende Raucherbeine oder geschwärzte
Zahnstümpfe - Gruselbilder und abschreckende Warnungen auf einem
Großteil der Packungen sollen die Lust am Glimmstängel dämpfen.
Erzeugnisse, die nach den alten Regelungen bis Mai 2016 hergestellt
wurden, können ein Jahr lang weiter abverkauft werden.
Aromen, die den Tabakgeschmack überdecken, müssen vom Markt
verschwinden. Für Mentholzigaretten gilt eine Übergangsfrist. Kleine
Verpackungsgrößen sind für bestimmte Tabakwaren verboten, auch
«irreführende Elemente auf Verpackungen». Um Fälschungen vorzubeuge
n,
müssen Verpackungen zudem künftig ein individuelles Erkennungs- und
ein fälschungssicheres Sicherheitsmerkmal tragen. Für neue
Tabakerzeugnisse wird ein Zulassungsverfahren eingeführt.
Neu sind auch Regelungen für «E-Zigaretten», bei denen eine
Flüssigkeit verdampft und inhaliert wird. Für diese elektronischen
Zigaretten und Nachfüllbehälter soll es auch Werbeverbote geben.
Ziel ist es, die Raucherquote von Jugendlichen zu senken. Auch sollen
«Fälle der vorzeitigen Sterblichkeit» verringert werden. Etwa 110 0
00
Todesfälle pro Jahr seien in Deutschland unmittelbar auf das Rauchen
zurückzuführen, heißt es in einer Kabinettvorlage. Die direkten und
indirekten Kosten des Rauchens würden auf 79,09 Milliarden Euro pro
Jahr geschätzt.
Zigarettenhersteller pochen auf eine längere Frist zur Umstellung
ihrer Produktion. Sie argumentieren, dies sei wegen Verzögerungen
auch in Brüssel bis Mai nicht mehr zu schaffen. Der Geschäftsführer
von Philip Morris, Jörg Waldeck sagte dagegen, fünf Monate vor dem
Stichtag sei jetzt Rechtssicherheit entscheidend. Der Termin sollte
nicht verschoben werden: «Sonst werden am Ende diejenigen bestraft,
die sich an die gesetzlichen Vorgaben gehalten haben.»
Die Grünen warfen der Regierung vor, keine Gesamtstrategie zur
Reduzierung des Tabakkonsums zu verfolgen. Der Sprecher für Drogen-
und Suchtpolitik der Grünen-Fraktion, Harald Terpe, sagte:
«Werbebeschränkungen für Tabakprodukte sind längst überfällig.