Industrie hofft auf TTIP-Comeback mit Trump Von Tim Braune, dpa

26.12.2016 10:01

Der künftige US-Präsident Donald Trump gilt als strikter
Freihandelsgegner. Das Mega-Abkommen TTIP zwischen Amerika und Europa
liegt bereits auf Eis - wird es vielleicht doch noch ein Revival
geben?

Berlin (dpa) - Die deutsche Industrie will den Traum vom
europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen TTIP noch nicht
begraben. Mit Blick auf den Amtsantritt von US-Präsident Donald
Trump, der den freien Welthandel einschränken will, sagte
Industriepräsident Ulrich Grillo der Deutschen Presse-Agentur: «Ich
wette, dass es eine Neuauflage geben wird - mit Trump.» Der
Milliardär werde auch in seiner neuen Rolle als Staatschef merken,
dass ein intensiver Handel mit Europa ganz Nordamerika nutzen und
Arbeitsplätze schaffen würde.

Die EU-Kommission verhandelt seit 2013 mit den USA über das Abkommen.
Damit sollten Handelsschranken wie Zölle beseitigt werden und es
sollte die größte Freihandelszone der Welt entstehen. Nach Trumps
Wahlsieg wurde TTIP («Transatlantische Handels- und
Investitionspartnerschaft») auf Eis gelegt. In Europa gibt es massive
Proteste, weil Umwelt- und Verbraucherschützer fürchten, hohe
EU-Standards könnten verwässert werden.  

«Amerika ist nicht autark», meinte Grillo. US-Unternehmen seien auf
deutsche Ingenieurstechnologie und Zwischenprodukte aus anderen
europäischen Märkten angewiesen. Trumps Motto «Make America Great
Again» werde definitiv nicht mit Abschottung klappen. «Deshalb bin
ich optimistisch, dass Trump über kurz oder lang TTIP wieder aus der
Schublade holt. Die EU-Kommission muss ihre Gesprächskanäle bei TTIP
auf jeden Fall offen halten», betonte Grillo, der zum Jahreswechsel
den Chefposten beim Industrieverband BDI an Dieter Kempf weitergibt. 

Trump tritt sein Amt als US-Präsident am 20. Januar an. Im Wahlkampf
hatte er gegen Freihandelsabkommen gewettert. Trump will laut
früheren Aussagen die US-Wirtschaft mit hohen Einfuhrzöllen vor
ausländischer Konkurrenz schützen. Mit einem großen öffentlichen
Infrastrukturprogramm sollen Wachstum und Jobs in den USA angekurbelt
werden. Unter Präsident Barack Obama war es Washington und der EU
trotz jahrelanger Gespräche nicht gelungen, einen TTIP-Vertrag
abzuschließen. 

Grillo erklärte, Trump verhalte sich unberechenbar. «Das verunsichert
die Wirtschaft.» Trump könne ein Land wie die Vereinigten Staaten
nicht mit Twitter und Telefonaten regieren. «Ich vertraue dem
US-System von Checks and Balances, in dem jeder Präsident eingebunden
ist und klug agieren muss.»

Auch die Unklarheit über den EU-Austritt Großbritanniens belaste die

deutschen Unternehmen. «Die aktuelle Unsicherheit ist Gift für die
Wirtschaft.» Er halte nichts von einer Diskussion um einen
«harten» oder «weichen» Brexit», sagte Grillo. «Europa
zusammenzuhalten und zu stärken steht für mich an erster Stelle bei
den Verhandlungen über einen Austritt.» 

Ungeachtet der weltweiten Risiken rechnet die Wirtschaft mit der
Fortsetzung des moderaten Aufschwungs in Deutschland. «Aber dieser
Aufschwung ist alles andere als nachhaltig», meinte der oberste
Industrielobbyist. Historisch niedrige Zinsen, billiges Öl und der
schwache Euro im Vergleich zum US-Dollar hätten wie kostenlose
Konjunkturprogramme gewirkt.

Ein Verdienst der Politik sei die stabile Lage nicht: «Die große
Koalition ist weit unter ihren Möglichkeiten geblieben. Union und SPD
haben zu viel umverteilt und zu wenig getan, um Deutschland
wetterfest für stürmische Zeiten zu machen», kritisierte Grillo. Die

Politik müssen mehr Wirtschaft wagen und der
globalisierungsfeindlichen Stimmung eine innovative Wirtschafts- und
Steuerpolitik entgegensetzen. «Die Rekordüberschüsse von Bund,
Ländern und Gemeinden geben reichlich Spielraum, um mehr in die
Zukunft zu investieren.» Das Geld müsse in Verkehr, Energie, Bildung
und Digitales fließen.