Graf: Kein EU-Beitritt der Türkei bei Votum für Präsidialsystem
12.04.2017 05:00
Aus Sicht von Berlins CDU-Fraktionschef Graf hat die Türkei viele
rote Linien überschritten. Sollte der Präsident in Ankara seine Macht
nun ausbauen, müsse das Konsequenzen haben.
Berlin (dpa/bb) - Im Falle der Einführung eines Präsidialsystems in
der Türkei sieht Berlins CDU-Fraktionschef Florian Graf für das Land
keine Möglichkeit mehr zum EU-Beitritt. «Sollte das Referendum am 16.
April erfolgreich sein, müssen aus meiner Sicht die
EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abgebrochen und ad acta
gelegt werden», sagte Graf der Deutschen Presse-Agentur. «Schon jetzt
sehe ich dafür eigentlich keine gemeinsame Basis mehr.»
Nach Einschätzung Grafs haben die türkische Regierung und
insbesondere Präsident Recep Tayyip Erdogan, der seine Macht per
Referendum ausbauen will, in den letzten Wochen und Monaten
«jegliches Restvertrauen verspielt». Als Beispiele nannte er die
ständigen Provokationen und Nazi-Vergleiche sowie den Versuch, «einen
innertürkischen Konflikt in unser Land zu tragen.»
Graf prangerte in dem Zusammenhang auch Eingriffe in die Presse- und
Meinungsfreiheit und willkürliche Verhaftungen von Journalisten an,
darunter des deutschen «Welt»-Korrespondenten Deniz Yücel. Eine
unabhängige Justiz sei infrage gestellt. Hinzu komme die Affäre um
die mutmaßliche Spionage des türkischen Geheimdienst MIT hierzulande.
Auf einer Liste von Spitzelopfern stand auch die Berliner
CDU-Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner. «Ich verstehe das als
Angriff auf den deutschen Parlamentarismus», so Graf.
«Unsere Aufgabe wird es in den kommenden Monaten sein, die
entstandenen Gräben zwischen den hier lebenden Menschen mit
türkischen Wurzeln wieder zu schließen», ergänzte er. Und: «Wenn
wir
es mit der Integration der Türken in Deutschland ernst meinen, müssen
wir uns bei der Ausbildung von türklischen Lehrern und Imamen vom
türkischen Staat unabhängig machen.»
In Berlin wohnen nach jüngsten Angaben des Statistischen Landesamtes
177 000 Menschen türkischer Herkunft. Knapp 79 000 davon haben -
teils neben dem türkischen - einen deutschen Pass. An dem Referendum
über das von Erdogan angestrebte Präsidialsystem beteiligten sich
nach Angaben der zuständigen Wahlkommission 43,4 Prozent der
wahlberechtigten Türken in Berlin.