Johnson will Nordirland-Protokoll «schleifen» - neue Krawalle

20.04.2021 14:57

Belfast (dpa) - Im Streit mit der EU über Handelsregeln für die
britische Provinz Nordirland hat der britische Premierminister Boris
Johnson mit weiteren einseitigen Schritten gedroht. Dabei nahm er vor
allem das sogenannte Nordirland-Protokoll aus dem
Brexit-Handelsvertrag ins Visier. «Wir entfernen, was wir als
unnötige Ausstülpungen und Hindernisse empfinden, die aufgekommen
sind, und reißen die Schlingen ab und schleifen es in Form», sagte
Johnson der BBC in einem am Dienstag veröffentlichten Beitrag.

Aus Protest gegen eine Handelsbarriere zwischen Großbritannien und
Nordirland seit dem Brexit gingen in Nordirland am Montagabend in
verschiedenen Städten Hunderte Menschen auf die Straße. In Belfast
griffen dabei vor allem junge Leute die Polizei an und zündeten eine
Barrikade an, wie örtliche Medien berichteten. In der Nähe von
Derry/Londonderry wurde eine Bombe am Wohnort einer Polizistin
entdeckt. Wie die Ermittler mitteilten, handelte es sich dabei um
einen funktionsfähigen Sprengsatz.

Das «Nordirland-Protokoll» sieht Warenkontrollen bei der Einfuhr
britischer Güter und Lebensmittel in die britische Provinz vor. Diese
waren im EU-Austrittsvertrag mit Großbritannien vereinbart worden, um
Kontrollen an der Grenze zum EU-Staat Irland zu vermeiden. Ziel war,
neue Spannungen in der einstigen Bürgerkriegsregion zu vermeiden.
Allerdings führten die Sonderregeln zu Lieferengpässen - zudem
fürchten Loyalisten eine politische Spaltung. Bei Krawallen waren
Dutzende Polizisten verletzt worden.

«Wenn wir nicht genug Fortschritte machen können und wenn es so
aussieht, dass sich die EU sehr, sehr dogmatisch verhält, wir
weiterhin absurde Situationen haben (...), dann werde ich weitere
Schritte unternehmen müssen», sagte Johnson. Als Beispiele nannte er
das Einfuhrverbot für Pflanzen mit Erdanhaftungen oder
Fleischprodukten aus Großbritannien nach Nordirland. Johnson hatte
das Protokoll selbst ausgehandelt. Der irische Regierungschef Micheal
Martin sagte hingegen, die Regelung stelle keine Gefahr für die
territoriale Einheit des Vereinigten Königreichs dar.

Der deutsche Europastaatsminister Michael Roth betonte am Dienstag am
Rande von EU-Beratungen, dass die vollständige Umsetzung des
Nordirland-Protokolls von entscheidender Bedeutung bleibe. «Wir
begrüßen den intensiven Dialog zwischen der EU-Kommission und
Großbritannien zu dem Thema (...)», sagte der SPD-Politiker. Man
müsse sich jetzt aber auf einen verbindlichen Zeitplan für die
vollständige Umsetzung des Protokolls einigen.