Doppelte Staatsbürgerschaft bei EU-Ausländern möglich
Bundesverwaltungsgericht schafft Klarheit
EU-Ausländer können bei der Einbürgerung in Deutschland ihre Staatsangehörigkeit behalten, wenn auch ihr Land bei der Einbürgerung von Deutschen die doppelte Staatsangehörigkeit hinnimmt. Mit diesem Urteil entschied der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig im April 2004 zu Gunsten eines griechischen Psychotherapeuten. Der Kläger hatte in Bayern seine Einbürgerung beantragt, wollte aber auch seine griechische Staatsangehörigkeit nicht aufgeben (BVerwG 1 C 13.03).
Die beklagte Stadt in Bayern hatte die Einbürgerung mit dem Argument abgelehnt, dass die Gegenseitigkeit fehle. Dies sei schon deshalb der Fall, weil Griechenland anders als Deutschland keinen zwingenden Anspruch auf Einbürgerung vorsehe, sondern diese nur nach Ermessen gewähre. Dagegen klagte der Antragsteller erfolgreich beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Landesanwaltschaft Bayern zurückgewiesen. Das im Ausländergesetz verankerte Gegenseitigkeitserfordernis beziehe sich auf die Hinnahme der Mehrstaatigkeit in den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten, erläutert das Gericht in einer Mitteilung. «Es verlangt hingegen nicht auch eine Übereinstimmung der übrigen Voraussetzungen und Folgen der Einbürgerung.»
Der Gesetzgeber habe mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 1999 die Einbürgerung für EU-Staatsangehörige erleichtern wollen, argumentieren die Leipziger Richter. Diese Erleichterung würde nicht erreicht, wenn man für die Gegenseitigkeit verlange, dass auch andere EU-Staaten die im Wesentlichen nur in Deutschland verankerte Anspruchseinbürgerung vorsehen. Nicht nur das Einbürgerungsrecht, sondern auch die Einbürgerungspraxis müssten dem Gegenseitigkeits-Erfordernis gerecht werden. Dies sei in Griechenland vom Verwaltungsgerichtshof festgestellt worden.
Einzelne Bundesländer haben bisher weiter gehende Anforderungen an die Voraussetzungen der Gegenseitigkeit gestellt, heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Der Vertreter des Bundesinteresses habe darauf hingewiesen, dass die Bundesrepublik wegen der restriktiven Einbürgerungspraxis dieser Bundesländer im Ausland kritisiert worden sei. Durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei die Rechtsauffassung des Bundes bestätigt und dem Kläger ein Anspruch auf Einbürgerung zuerkannt worden.
Hintergrund
Mit dem Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 hat der Bundesgesetzgeber in § 87 Abs. 2 des Ausländergesetzes (AuslG), im Hinblick auf das Ziel der fortschreitenden europäischen Integration eine spezielle Regelung getroffen: Bei Unionsbürgern wird nicht verlangt, dass sie vor der Einbürgerung in Deutschland ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben, wenn der andere EU-Mitgliedsstaat im Gegenzug bei Einbürgerungen von Deutschen ebenso verfährt.
Deutschen, die sich in einem EU-Mitgliedstaat einbürgern lassen, wird über eine Genehmigung nach § 25 Abs. 2 des Staatsangehörigkeitsgesetzes gestattet, die deutsche Staatsangehörigkeit beizubehalten. Im Ausland lebenden Deutschen wird damit bei Erwerb der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates die Beibehaltung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit zugleich erleichtert. Diese Regelung findet aktuell in Bezug auf die EU-Staaten Griechenland, Großbritannien, Irland, Portugal, Schweden, Frankreich, Belgien, Finnland und Italien Anwendung, bei den Niederlanden nur auf bestimmte Personengruppen. Aufgrund einer abweichenden Auslegung des § 87 Abs. 2 AuslG durch Behörden des Freistaats Bayern und des Landes Baden-Württemberg ist es dort zu Irritationen bei der Einbürgerung von Unionsbürgern gekommen. Bayern hat Revision gegen ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. April 2003 eingelegt, so dass erst nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eine bundesweit einheitliche Einbürgerungspraxis zu erwarten ist.