Leben und Arbeiten in den Überseegebieten
Die Freizügigkeitsregeln des EG-Vertrages gelten uneingeschränkt
Die kolonialen Abenteuer vieler Mitgliedstaaten haben der Europäischen Union einen wahren Flickenteppich von Überseegebieten hinterlassen, die entweder Teile der betreffenden Mitgliedstaaten geworden sind oder doch zu ihnen sehr privilegierte Beziehungen unterhalten. Machen Sie sich also auf eine kleine Geographiestunde gefaßt.
Einfach fällt die Antwort auf Ihre Frage nur für die sogenannten „angeschlossenen überseeischen Gebiete und Departements“. Das sind Gebiete, die ganz weitgehend in den jeweiligen Mitgliedstaat integriert sind: Guadeloupe und Martinique in der Karibik, die Insel Réunion im Indischen Ozean, Französisch-Guyana in Südamerika, die Kanarischen Inseln, die spanischen Exklaven in Nordafrika, Ceuta und Melilla, sowie die portugiesischen Azoren und Madeira. In diesen Gebieten gelten die Freizügigkeitsregeln des EG-Vertrages uneinge-schränkt. Sie können ohne weiteres dort leben und arbeiten. Sie müssen dabei lediglich die Meldepflichten einhalten, die das Freizügigkeitsrecht der EU vor-sieht. Das gleiche gilt auch für Gibraltar.
Das EU-Recht kennt eine zweite Kategorie von Überseegebieten, die „über-seeischen Länder und Gebiete, die mit den Mitgliedstaaten besondere Beziehungen unterhalten“. Sie haben eine sehr seltsame Zwitterstellung: Auf der einen Seite sind die dort lebenden Menschen in der Regel Staatsbürger des jeweiligen Mitgliedslandes und damit auch Unionsbürger, auf der anderen Seite sind diese Gebiete nicht Teil der EU, sondern mit ihr lediglich durch Assoziierungsabkommen verbunden. So ist ein Bürger der Falkland-Inseln zwar in aller Regel Brite, für ihn gelten aber die Freizügigkeitsregeln des EG-Vertrages nicht, er darf also nicht überall in Europa leben und arbeiten.
Auch für Unionsbürger aus den Mitgliedstaaten gelten die Freizügigkeitsregeln in diesen „überseeischen Ländern und Gebieten“ nicht. Aufenthalts- und Arbeits-genehmigungen müssen also nach dem jeweiligen nationalen Recht beantragt werden. Lediglich die Niederlassung von Unternehmen und Selbständigen erleichtert ein Ministerratsbeschluß, der 1991 getroffen wurde: Gesellschaften und Staatsangehörige aus EU-Staaten, die sich in den Überseegebieten niederlassen wollen, müssen grundsätzlich wie einheimische Unternehmen behandelt werden. Sie könnten also ohne größere Probleme auf den Niederländischen Antillen eine Tauchschule eröffnen. Dagegen könnten Sie nicht ohne weiteres eine Stellung als Tauchlehrer annehmen.
Von den elf britischen „überseeischen Ländern und Gebieten“ liegen fünf in der Karibik (Anguilla, Montserrat, die Britischen Jungferninseln, die Kaimaninseln und die Turks- und Caicosinseln) und drei im Südatlantik (die Falklandinseln, die Sandwichinseln und St. Helena). Pitcairn befindet sich im Pazifischen Ozean und die „britischen Gebiete im indischen Ozean“ südlich des indischen Subkontinents. Die französischen Gebiete liegen im Pazifischen Ozean (Französisch-Polynesien, Neukaledonien, Wallis und Futuna), im indischen Ozean (Mayotte, die französischen Süd- und Antarktisgebiete) und vor Neufundland (St. Pierre und Miquelon). Die niederländischen Gebiete befinden sich in der Karibik: Aruba, Bonaire, Curacao, Saba, St. Eustatius, St. Maarten). Das größte assoziierte Gebiet ist schließlich Grönland.
Wer in diesen Gebieten leben und arbeiten möchte, sollte sich an die Botschaft des jeweils zuständigen Mitgliedstaates wenden.
Obwohl nicht in Übersee sondern mitten in Europa gelegen, muß an dieser Stelle noch der Sonderstatus der zu Großbritannien gehörenden Kanalinseln und der Isle of Man erwähnt werden. Für diese Inseln gelten zwar der gemeinsame Zolltarif, der freie Warenverkehr und einzelne Bestimmungen im Bereich der Landwirtschaft, das „3. Protokoll zum Vertrag über den Beitritt Großbritanniens zu den Europäischen Gemeinschaften“ stellt aber ausdrücklich fest, daß bei der Freizügigkeit und im Dienstleistungsverkehr EU-Recht keine Anwendung findet. Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen werden also nur nach britischen Recht erteilt. Auch auf den Faröer-Inseln gilt allein dänisches Aufenthaltsrecht.