"Ferienführerschein" in Polen
Mogelpackung auf rechtlich unsicherem Boden
Das Angebot klingt verlockend: «3 Wochen Ferien, Sport & Fun. Machen Sie Ihren EU-Führerschein für nur 999 Euro.» So verspricht es etwa eine Nürnberger Ferienfahrschule auf ihrer Internetseite. Doch viele der Deutschen, die den vermeintlichen Billig-Fahrkurs im polnischen Stettin gebucht haben, sind mittlerweile enttäuscht. Nur einer der Fahrlehrer spreche Deutsch, die Prüfungsbogen gebe es nur auf Polnisch und das angepriesene Freizeitprogramm sei eine Luftnummer, fasst der Fahrschüler Wolfgang Rehfanz aus Limburg (Hessen) seine Erfahrungen zusammen. Und: «Gespart habe ich überhaupt nicht. Bisher hat mich der Kurs 3000 Euro
gekostet.»
Gemeinsam mit Mitschülern - zumeist langjährige Autofahrer, die in Deutschland nach Verfehlungen ihren Führerschein abgeben mussten - steht Rehfanz vor einem schäbigen Hotel in einem Stettiner Plattenbauviertel und wartet auf die Organisatoren. «Die Logistik ist unter aller Sau», kommt Rehfanz schon wieder ins Schimpfen. Frustriert sind die überwiegend aus dem Westen Deutschlands angereisten Kurs-Teilnehmer auch, weil sie reihenweise durch die Prüfungen durchgefallen sind. Rehfanz ist sich sicher, dass er die theoretische Prüfung bestanden hätte, wenn die Fragebögen auf Deutsch gewesen wären.
Der Nürnberger Anbieter ist im eigentlichen Sinne gar keine Fahrschule, sondern eine Werbeagentur, die seit der EU-Osterweiterung Deutsche an polnische Fahrlehrer und das Stettiner Hotel vermittelt. Auf ihrer Internetseite verspricht sie eine hohe Erfolgsquote, deutsche Fahrlehrer und Prüfer sowie deutschsprachige Prüfungsbögen. Die Geschäftsführung versteht die ganze Aufregung nicht: «Unsere Fahrlehrer haben 100 Worte Deutsch gelernt - das reicht», sagt ein Sprecher.
Über das Angebot der Nürnberger ärgern sich nicht nur Fahrschüler, sondern auch deutsche Fahrlehrer - wie Bernhard Katritzki vom Fahrlehrerverband Berlin-Brandenburg, wo ein Führerschein ohne Urlaub 1500 Euro kostet. «Das ist eine Wettbewerbsverzerrung, denn ich glaube nicht, dass die Ausbildung in Polen so gut ist wie unsere», sagt Katritzki.
Den Zweifel teilt Winfriede Schreiber, Polizeipräsidentin der Grenzstadt Frankfurt (Oder), nicht. «Warum sollten polnische Fahrlehrer schlechter sein als unsere?». Die Juristin Schreiber sieht
für deutschen Fahrschüler jenseits der Oder ein anderes Problem: das deutsche Recht. Demnach muss ein Deutscher, der im EU-Ausland einen Führerschein macht, dort mindestens 185 Tage gewohnt haben. So sieht es auch das Bundesverkehrsministerium, das vor dem Führerschein-
Tourismus nach Polen warnt. Rechtsstreit und Ärger mit den deutschen Behörden drohen also in jedem Fall.
Die Deutschen, die in ihrem Urlaub in Stettin am Steuer der polnischen Fahrschulwagen sitzen, können aber auf Jerzey Baranek bauen. Der Leiter der Führerscheinbehörde der polnischen Großstadt nimmt die Prüfungen deutscher Ferienfahrschüler ab. «Wir haben hier höhere Prüfungsmaßstäbe als in Deutschland; und wer die erfüllt, bekommt auch einen Führerschein», sagt er - und freut sich über jeden Prüfling aus Deutschland. Die amtlichen Formulare unterscheiden zwar zwischen Melde- und Wohnadresse, aber die Wohnadresse der Deutschen überprüft Baranek nicht.
Selbst wenn sich herausstellt, dass der Führerschein in Polen auf illegalem Wege erworben wurde, kann keine deutsche Behörde die polnische «Pappe» wegnehmen. Grund dafür ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Geklagt hatte ein Deutscher, der in den Niederlanden einen Führerschein gemacht hatte und dann wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vor Gericht stand. Deutschland müsse den ausländischen Führerschein anerkennen; selbst dann, wenn das Nachbarland den Führerschein gar nicht hätte ausstellen dürfen, weil der Prüfling nicht dort wohnte. In solchen Fällen müsse Deutschland den anderen Staat informieren - und veranlassen, dass dieser die Fahrerlaubnis wieder einzieht.