Davos diskutiert deutsche Rolle: Zuchtmeister oder Hoffnungsträger? Von Matthias Armborst, dpa

25.01.2012 19:10

Krise herrscht in Davos nun wirklich nicht: Das noble Städtchen
genießt seinen Insel-Status, die exorbitanten Preise zahlen seine
Gäste locker und in Franken. Doch auf dem Weltwirtschaftsforum dreht
sich fast alles um die Euro-Rettung - und den Besuch aus Deutschland.

Davos (dpa) - Was ist Deutschlands Plan in der Euro-Schuldenkrise?
Was werden die Deutschen noch verlangen? Und was sind sie bereit zu
geben? Diese Fragen sind allgegenwärtig auf dem Weltwirtschaftsforum
(WEF). Eröffnungsrednerin Angela Merkel ist zu einer Stippvisite nach
Davos geeilt, absolviert den Termin zwischen lauter Krisensitzungen.
Doch auch in dem abgelegenen Schweizer Kurort hängen alle an ihren
Lippen, hoffen auf Antworten.

Davos sei in diesen Tagen «das Sanatorium für die Welt», erklärt

WEF-Gründer Klaus Schwab selbstbewusst und in Anspielung darauf, dass
hier früher Tuberkulose-Patienten aus allen Teilen Europas behandelt
wurden. Neue Modelle für eine Welt im Wandel sollen die 2600
Elite-Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in den fünf
WEF-Tagen entwerfen.

Für die Euro-Krise jedoch reicht kein Sanatorium. Die gewaltigen
Staatsdefizite seien «über Jahre entstanden, sie werden sich deshalb
nicht mit einem Paukenschlag beenden lassen», betont Merkel. Die
Krisen-Bekämpfung dauere nun einmal länger als 12 oder 18 Monate.
«Aber wir können doch jetzt nicht auf halbem Weg umkehren und sagen:
'Das bringt doch alles nichts'.»

Kommt in Davos die Rede auf Deutschland, sind gerade die
Teilnehmer aus Euro-Krisenstaaten gespalten. Einerseits wird die
letzte starke Wirtschaftsmacht der Eurozone als Zuchtmeister
gefürchtet. Gleichzeitig ist Deutschland der fast schon letzte
Hoffnungsträger.

Forderungen nach kraftvolleren und teureren deutschen Beiträgen
bei der Euro-Rettung schmettert Merkel jedoch ab. Sie wolle nichts
versprechen, was Deutschland am Ende gar nicht halten könne, erklärt
die Kanzlerin. «Denn wenn Deutschland, stellvertretend für alle
europäischen Länder etwas verspricht, was bei harter Attacke der
Märkte dann nicht einlösbar ist, dann hat Europa eine ganz offene
Flanke.»

Scharfe Kritik am deutschen Kurs ist in Davos oft zu hören,
beispielsweise von US-Investorenlegende George Soros, der im
derzeitigen Krisenland Ungarn geboren ist. «Deutschland diktiert eine
Politik, die in eine Schuldenspirale mit deflationären Folgen führt»,

sagt Soros und malt das düstere Bild einer bevorstehenden tiefen und
anhaltenden Krise an die Wand. Er frage sich, wann sich die
Erkenntnis durchsetze, «dass die Währungsunion auf einem
selbstzerstörerischen Kurs ist».

Deutschland setze Euro-Krisenstaaten unerreichbare Sparziele,
verweigere ihnen gleichzeitig Schutz vor den Finanzmärkten und bringe
sie damit gegen sich auf. «Der Rest Europas ist nicht wie
Deutschland», sagt er. Kein Wunder, dass die Politik Merkels an der
Peripherie zu Widerstand führe: «Noch sind die Menschen dort zwar
verunsichert, aber mehrheitlich für den Euro. Das kann sich schnell
ändern.»

Zu Kritik wie dieser sagt Merkel, Deutschland wolle sich ja am
Abbau von Ungleichgewichten in Europa beteiligen. Eine Anpassung nach
unten werde man aber nicht mitmachen. Nur, wenn Europa seine
wirtschaftlichen Stärken pflege, «haben wir eine Chance auf den
Weltmärkten mitzuspielen». Es gehe also nicht darum, ob ein Land wie
Deutschland streng oder weniger streng sei - «es geht darum,
Wohlstand zu erwirtschaften».

Doch auch hier klemmt es zunehmend. Die Eurozone könne sich
«zumindest vorläufig nicht mehr auf die Wachstumslokomotive
Deutschland stützen», schrieb die «Neue Zürcher Zeitung» ausgerec
hnet
am Davos-Eröffnungstag. Zu mager seien die vom Internationalen
Währungsfonds noch prognostizierten 0,3 Prozent Wachstum für die
stärkste Wirtschaft Europas.

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