Papua-Neuguinea plant riesige Thunfischindustrie - EU-Regel hilft Von Christiane Oelrich, dpa
13.05.2012 09:00
Thunfisch ist populär und wird teils rar. Vor Papua-Neuguinea im
Pazifik liegen die größten Fanggründe. Das verarmte Land will jetzt
eine riesige Fischverarbeitung aufziehen. Die EU macht das mit
Konzessionen attraktiv. Anwohner und Tierschützer protestieren.
Madang (dpa) - Beim Thema Thunfischfabrik rümpft Rosalie Firth die
Nase: «In der Nähe der Fabrik stinkt es erbärmlich, den Kindern wird
immer schlecht», sagt die Frau aus dem Dorf Bomlon bei Madang in
Papua-Neuguinea (PNG). Schon die eine Fabrik hat die Anwohner
aufgebracht - und es sollen mehr werden: Die Regierung plant eine 215
Hektar große Fischverarbeitungszone mit zehn Fabriken. Bei Lae ein
paar Hundert Kilometer weiter südlich sollen noch vier Fabriken
entstehen. Die EU macht das attraktiv: Sie hat die Herkunftsregeln
für PNG gelockert: Egal, wer den Fisch wo fängt, solange er hier
verarbeitet wird, darf er zollfrei in die Union verschifft werden.
Anwohnern, Umwelt- und Tierschützern sind die Pläne ein Dorn im
Auge. Überfischung und Zerstörung der Küstenflora und -fauna
befürchtet die Organisation Bismarck Ramu Group. «Die Philippiner
kommen zu uns zum Fischen, weil ihnen der Fisch ausgegangen ist»,
sagt die Aktivistin Rosa Koian. «Diese Leute fischen ohne Rücksicht
auf Regeneration der Bestände. Und wir sehen bei der einen Fabrik
schon, wie Schiffe das Küstenwasser mit Chemikalien verpesten. Wir
haben Delfine gesehen, die direkt vor unserer Küste verendet sind.»
Doch die Regierung ist unbeirrt. Sie hat einen Kredit der
chinesischen Eximbank und einen chinesischen Bauherrn angeheuert.
Fast ein Fünftel der weltweit gefangenen Thunfische kommen aus
Papua-Neuguineas Gewässern - aber das Land hat wenig davon: Zwei
Drittel der jährlich rund 700 000 Tonnen werden von Japanern,
Taiwanesen, Südkoreanern und Chinesen gefischt. Sie zahlen PNG dafür
eine Lizenzgebühr. Eine größere eigene Flotte kann das bitterarme
Land zwar nicht auf die Beine stellen. Aber es will zumindest einen
Großteil des Fangs künftig selbst verarbeiten. Thailand hat auch
keine nennenswerte eigene Flotte, ist aber mit einem Anteil an der
Verarbeitung von 46 Prozent Weltmarktführer.
«PNG will den Mehrwert aus der Fischverarbeitung im Land behalten
und für seine Entwicklung nutzen, das ist nachvollziehbar», sagt
Martin Dihm, EU-Botschafter in der Hauptstadt Port Moresby.
Die EU-Konzession, Thunfisch jeglicher Herkunft zollfrei zu
akzeptieren, solange er in PNG verarbeitet wurde, macht eine
Fischverarbeitungszone in großem Stil attraktiv. Papua-Neuguinea ist
mit 16 000 Tonnen im Jahr der viertgrößte EU-Lieferant von Thunfisch
in Dosen, nach Thailand, Ecuador und den Philippinen. In der EU sind
Deutschland, Großbritannien und Dänemark die wichtigsten Märkte.
In Brüssel haben sich Verbrauchervertreter im Wirtschafts- und
Sozialausschuss, der die EU berät, schon aufgeregt. Die EU fördere
«die Überfischung der bereits bis an ihre Grenze belasteten
Thunfischbestände im Pazifik», meinten sie im vergangenen Jahr - auch
wenn es ihnen wohl eher um die heimische Industrie ging. «Der
Papua-Neuguinea und den Fidschi-Inseln (...) eingeräumte
Ursprungsstatus für Fischereierzeugnisse zerstört das Gleichgewicht
auf dem Weltmarkt für Thunfisch.»
Nach so viel Kritik und Widerstand hat die EU Experten nach PNG
geschickt. Ihr Fazit: Eitel, Freude, Sonnenschein. In ihrem Bericht
beurteilen sie die Thunfischbestände in der Region «generell
positiv». Und: «Es gibt, wenn überhaupt, nur wenige dokumentierte
Fälle, dass Verarbeitungsfabriken permanente Umweltschäden verursacht
haben.» Vielmehr könnten zehntausende Arbeitsplätze entstehen. «Die
(Konzession) wird eine wichtige Rolle im geplanten Ausbau der
Industrie und bei ihrem Überleben spielen», frohlockt die EU.
Ungeachtet der Anwohnerproteste gehen die Vorarbeiten in Madang
voran. Über Nacht wurde das riesige, lange brach liegende Gelände
eingezäunt. «Unsere Fischer müssen nun kilometerweit zur Küste
laufen», sagen die Einwohner von Bomlon. «Wir kommen nicht mehr an
die Mangroven, wo wir Austern und Krabben geholt haben.»
«Die riesigen Fabrikschiffe, die den Fisch hier anlanden, verjagen
jetzt schon die Fische da, wo wir fischen, in Küstennähe», sagt
Rosalies Mann David. Aber die neuen Arbeitsplätze? Die Einwohner
lachen verächtlich. «Das ist Schwerstarbeit zum Niedrigstlohn», sagen
sie. «Das zieht nur junge ungelernte Arbeiter an, die hier in Slums
leben und nur Ärger machen», sagt sie. «Und Prostituierte, die
Schiffsbesatzungen bedienen, die monatelang unterwegs waren.»
# dpa-Notizblock
## Orte
- [PMIZ](Madang, Papua-Neuguinea)
## Internet
- [EU-Studie Thunfisch und PNG](http://dpaq.de/WxEVh)
- [FAO zu Thunfischindustrie](http://dpaq.de/Y6ev0)
- [EU-Ausschussbericht](http://dpaq.de/HbF4P)