(Wochenendzusammenfassung 1245) Opposition hält im Fiskalpakt-Streit Druck hoch - Ärger über Pofalla Von Matthias Armborst, dpa (Mit Bild)

10.06.2012 12:39

Alles auf Anfang im Fiskalpakt-Streit: Ein Kompromiss schien schon in
Reichweite - jetzt droht die Opposition wieder mit ihrem Nein. Für
Ärger sorgt eine vom «Spiegel» zitierte Pofalla-Äußerung: Die von

Rot-Grün verlangte Börsensteuer komme bis zur Wahl sowieso nicht.

Berlin (dpa) - Kurz vor den entscheidenden Verhandlungen zum
europäischen Fiskalpakt hält die Opposition den Druck auf die
Bundesregierung hoch. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier
verlangt von Schwarz-Gelb weitere Zugeständnisse. Beim Thema Wachstum
und Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit habe die Koalition außer
Überschriften noch nicht viel geliefert: «Hier muss es in den
nächsten Tagen noch Bewegung geben», sagte er der «Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung» (FAS).

Die von Rot-Grün vehement geforderte Finanztransaktionssteuer ist
nach «Spiegel»-Informationen längst nicht in trockenen Tüchern. Bei

Schwarz-Gelb gebe es trotz der grundsätzlichen Einigung vom
Donnerstag Widerstand. Vor der nächsten Bundestagswahl werde es eine
solche Steuer nicht geben, zitierte das Magazin Kanzleramtschef
Ronald Pofalla (CDU). Daher könne man der SPD ruhig entgegenkommen,
habe dieser in kleiner Runde erklärt.

Auch in der FDP hält man ein Inkrafttreten der Steuer laut
«Spiegel» für unwahrscheinlich: Die vom FDP-Finanzexperten Volker
Wissing parteiübergreifend ausgehandelten Bedingungen seien so
formuliert, dass es die Steuer nicht geben werde, zitiert das Magazin
aus der FDP-Fraktion. Am Donnerstag hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel das
vermeintliche Entgegenkommen von Schwarz-Gelb beim heftig
umstrittenen Thema Börsensteuer schon als «180-Grad-Wende» gefeiert.


Der Parlamentarische Grünen-Geschäftsführer Volker Beck
kritisierte die vom «Spiegel» zitierte Pofalla-Bemerkung: «Wer
trickst, riskiert ein Scheitern des Fiskalpakts.» Bei der
Börsensteuer seien belastbare Verabredungen gefragt - «Sankt
Nimmerleinstag ist nicht, Herr Pofalla». Becks SPD-Amtskollege Thomas
Oppermann erklärte, Pofallas Äußerung sei ein Rückschritt. «Ronal
d
Pofalla hat den Ernst der Lage in Europa nicht verstanden, wenn er
jetzt mit parteipolitischen Winkelzügen beginnt. Wir brauchen ein
unumkehrbares Bekenntnis zur Einführung der Finanztransaktionssteuer.
Formelkompromisse wird es mit der SPD nicht geben.»

Über den Kurznachrichtendienst Twitter entgegnete der
Parlamentarische Unions-Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer, es sei

nicht gerade konstruktiv, «den anderen in laufenden Verhandlungen
schon als Falschspieler» zu bezeichnen.

Für eine Billigung des Fiskalpakts für mehr Haushaltsdisziplin in
Europa ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat
nötig. Die schwarz-gelbe Koalition ist deshalb auf die Unterstützung
von SPD und Grünen angewiesen. An diesem Mittwoch treffen sich die
Spitzen von Koalition und Opposition zur Schlussrunde ihrer
Verhandlungen bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

SPD und Grüne verlangen, dass die Bundesregierung auch die Idee
eines Schuldentilgungsfonds für Euro-Staaten aufgreift, was diese
aber ablehnt. «Das wäre genau die Vergemeinschaftung der Schulden,
die wir nicht wollen», sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU)
der «FAS». Auch die Zustimmung zu Konjunkturpaketen schloss er aus.
Dauerhaftes Wachstum sei nur durch Strukturreformen zu erzielen.

Die Union rechnet weiter damit, dass sich Koalition und Opposition
diese Woche einigen. «Ich bin zuversichtlich, dass SPD und Grüne für

den Fiskalpakt stimmen. Und zwar vor der Sommerpause», sagte Kauder.
Er nannte die Einigung auf Eckpunkte zur Finanztransaktionssteuer
einen «klassischen Kompromiss»: «Damit müsste der Opposition die
Zustimmung zum Fiskalpakt möglich sein.»

Unmittelbar nach dem Treffen mit Merkel am Mittwoch brechen die
drei SPD-Spitzenpolitiker Gabriel, Steinmeier und Peer Steinbrück
nach Frankreich auf. Der französische Präsident François Hollande
will sie im Élysée-Palast empfangen, um die Strategie in der
Europa-Politik abzustimmen. Eine entsprechende Information der «Bild
am Sonntag» wurde der Nachrichtenagentur dpa bestätigt.

An diesem Donnerstag will Merkel mit den Ministerpräsidenten der
Länder über den Fiskalpakt beraten. Auch die SPD-geführten
Bundesländer stellen weiterhin harte Bedingungen für ein Ja im
Bundesrat. Nach einem Positionspapier, das der «Märkischen
Allgemeinen Zeitung» vorliegt, verlangen sie, dass der Bund mögliche
Strafzahlungen an die EU vollständig übernimmt. Intern heißt es dem
Blatt zufolge, dass sich diese Forderung vor allem auf den Zeitraum
bis 2020 bezieht, denn bis dahin gehe der Fiskalpakt über die
Vorschriften der deutschen Schuldenbremse hinaus.

Zusammen mit Bayern, das einen entsprechenden Antrag bereits in
den Bundesrat eingebracht hat, verlangen die SPD-geführten Länder
auch, dass der Bund die bisher von den Kommunen aufgebrachten
Leistungen für die Eingliederungshilfe von behinderten Menschen
schrittweise übernimmt. 2010 erhielten rund 630 000 Personen diese
Leistungen in einer Gesamthöhe von immerhin 12,4 Milliarden Euro.

# dpa-Notizblock

## Internet
- [Stellungnahme Bundesrat](http://dpaq.de/vGqtP)
- [Gesetzentwurf Fiskalpakt](http://dpaq.de/qjeFj)
- [Fiskalpakt](http://dpaq.de/pGgK1)
- [Fragen und Antworten EU-Kommission](http://dpaq.de/AVoEL)
- [FDP-Positionspapier](http://dpaq.de/Arbrp)
- [SPD-Vorstandbeschluss Fiskalpakat/FTT](http://dpaq.de/pHjci)