Pragmatische Pferdebesitzer: Widerlich ist nur das Tricksen Von Sabine Maurer, dpa
16.02.2013 19:31
Pferdebesitzer sehen den Pferdefleisch-Skandal pragmatisch. Sie
beschäftigt eher die Frage, ob sie ihr eigenes Tier schlachten oder
einschläfern lassen würden.
Warendorf (dpa) - Es ist ein kalter, grauer Tag im Februar.
Fürsorglich legt die 25-jährige Katharina Loeck in einem Stall im
hessischen Usingen ihrem Pferd Bonnie eine Decke auf den Rücken,
damit es sich nicht verkühlt. Seit ihrer Kindheit reitet die
angehende Gymnasiallehrerin fast täglich, sie liebt ihre drei Pferde.
Das Thema Pferdefleisch-Skandal sieht sie jedoch pragmatisch. «Ich
habe nichts dagegen, wenn Menschen Pferdefleisch essen. Widerlich
finde ich an der Sache nur, wie mit Lebensmitteln getrickst wird»,
sagt sie.
Tanja Kleist aus dem nahen Weinbach denkt ähnlich. Sie wisse gar
nicht, warum die Aufregung so groß sei. «Was ist der Unterschied, ob
ich Pferdefleisch mit Medikamentenrückständen esse oder ein Schwein,
das mit Antibiotika vollgepumpt wurde?», sagt die 37-jährige
Rechtsanwältin. Sie selbst würde allerdings kein Pferdefleisch essen,
die Usingerin Loeck sieht das ähnlich. «Ich esse ja auch kein Hund»,
erklärt sie. Kathrin Steinmeier, Besitzerin einer kleinen Reitschule
in Usingen, hätte damit keine Probleme. «Probieren würde ich es.»
Was die Reiterinnen viel mehr beschäftigt: Würden sie ihr eigenes
Pferd einschläfern oder schlachten lassen? Nach Auskunft der
Deutschen Reiterlichen Vereinigung im westfälischen Warendorf sterben
die meisten alten oder kranken Pferde in Deutschland im heimischen
Stall. So ließen im Jahr 2011 etwa 55 000 dieser Vierbeiner ihr Leben
- nur jedes fünfte Tier wurde geschlachtet.
EU-weit werden jährlich nach Auskunft des Deutschen
Tierschutzbundes in Bonn mehr als 600 000 Pferde geschlachtet. Die
Organisation kritisiert Schlachtpferde-Transporte, bei denen Pferde
oft tagelang unter schrecklichen Bedingungen quer durch Europa
gekarrt würden. Die häufigsten Routen führten von Polen, Rumänien u
nd
Spanien nach Italien. Dort gelte Pferdefleisch als Delikatesse.
85 000 Pferde würden dort jährlich geschlachtet.
In Deutschland fahren die Reiter ihre Tiere auch selbst zum
Schlachter, manchmal sind sie bei der Tötung dabei. Darf das Fleisch
verwertet werden, kriegen sie dafür meist mehrere hundert Euro. Beim
Einschläfern kommt der Tierarzt in den Stall, narkotisiert das Pferd
und gibt ihm dann ein Medikament, das zum Herzstillstand führt. «Die
Besitzer sind meistens dabei», erzählt der Tierarzt Reiner Ernst aus
dem hessischen Neu-Anspach. «Das Ganze dauert so drei Minuten und ist
für das Pferd schmerzfrei.» Etwa 150 Euro muss der Tierbesitzer dafür
bezahlen, hinzu kommen die Kosten für die Abdeckerei.
Bei den drei hessischen Pferdebesitzerinnen gehen die Meinungen
bei diesem Thema auseinander, bei der Tötung eines Pferdes war noch
keine von ihnen dabei. Steinmeier und Kleist würden ihre Pferde wohl
zum Schlachter bringen, sie haben schon viele Horrorgeschichten über
das Einschläfern gehört. Zum Beispiel, dass die Tiere noch lange Zeit
wild zucken würden. Wenig schön finden sie auch die Vorstellung, dass
das tote Tier im Stall liegt und vom Abdecker abgeholt werden muss.
«Bei Schlachtungen geht wohl alles ganz schnell. Bevor die Pferde
mitkriegen, wo sie sind, ist schon alles vorbei», sagt Steinmeier.
Die 25-jährige Loeck würde ihre Pferde dagegen vermutlich
einschläfern lassen. «Das stelle ich mir friedlicher vor, als wenn
das Pferd nach einem Bolzenschuss plötzlich zusammenkracht», sagt
sie. Gedanken über den Tod müssen sich die Pferdebesitzer schon sehr
früh machen. Jedes Pferd hat einen Equidenpass mit vielen
individuellen Daten. Darin muss der Besitzer schon bei einem jungen
Tier eintragen, ob es eines Tages eventuell ein Schlachtpferd sein
soll.