(Gesamtzusammenfassung 1615) Milliardenschweres Hilfspaket für Zypern - Bankkunden zahlen mit Von Martin Romanczyk, dpa (Foto - aktuell)
17.03.2013 16:14
Zypern hat den Ruf, ein Hort für Geldwäscher zu sein. Fakt ist, dass
sich die Banken dort schwer verhoben haben. Europa muss helfen, die
Pleite abzuwenden. Für Bankkunden hat das einen schmerzlichen Preis.
Berlin/Brüssel/Athen (dpa) - Eine Staatspleite Zyperns schon im
Mai ist abgewendet - allerdings um den Preis eines drohenden Ansturms
Zehntausender auf die Banken des Mittelmeerstaates. Alle
Kontobesitzer zusammen müssen etwa 5,8 Milliarden Euro quasi über
Nacht zwangsweise von ihren Einlagen an den Staat abtreten: Die Höhe
der Abgabe richtet sich nach der Höhe des Kontostandes. Die
Zwangsabgabe löste auf Zypern große Entrüstung aus, weil viele
Kleinsparer betroffen sind. Eine Mehrheit im Parlament für das
Rettungspaket ist unsicher. Die nötige Abstimmung wurde von Sonntag
auf Montag verschoben.
Bis zu zehn Milliarden Euro Hilfe kommen von den europäischen
Partner, die später verzinst zurückgezahlt werden müssen. Im
Deutschen Bundestag, der dem Paket billigen muss, kündigten SPD,
Grüne und FDP an, nur unter Bedingungen zuzustimmen.
Schätzungsweise ein Drittel der Einlagen bei Banken auf Zypern
besitzen Ausländer, unter ihnen viele reiche Russen und Briten.
Zypern steht im Ruf, ein sicherer Hafen für Schwarzgeld zu sein und
wenig gegen Geldwäsche zu unternehmen.
Zahlreiche Menschen versuchten schon am Samstagmorgen kurz nach
Bekanntwerden der Beschlüsse der Euro-Finanzminister in Brüssel, ihr
Konto leer zu räumen. Ohnmächtig mussten sie sich in den wenigen
überhaupt geöffneten Banken des Landes erklären lassen, dass das
elektronische Zahlungssystem quasi stillstehe. Da an diesem Montag
Feiertag auf Zypern ist, werden die Kreditinstitute frühestens
Dienstag wieder öffnen, wenn bis dahin das Parlament des Landes die
Zwangsabgabe gesetzlich festgeschrieben hat.
Im Kern sieht die Regelung vor, dass ausnahmslos 6,75 Prozent auf
Guthaben bis 100 000 Euro und 9,9 Prozent auf höhere Beträge
einkassiert werden: Das soll sich auf einen Betrag von 5,8 Milliarden
Euro summieren.
Zypern ist nach Griechenland, Portugal und Irland das vierte Land,
das ein Programm aus dem europäischen Rettungsschirm bekommt. Spanien
erhält Milliardenhilfen nur für seine maroden Banken. Auch der
Internationale Währungsfonds (IWF) hilft - der Umfang ist noch offen.
Obwohl das Land nur 0,2 Prozent zur Wirtschaftsleistung der
Eurozone beiträgt, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn: «Zypern ist
systemrelevant für die Eurozone.» Eine Staatspleite könnte die
gesamte Eurozone gefährden.
Unsicher ist, ob es dafür im Parlament die nötige Mehrheit gibt.
Der erst am 28. Februar ins Amt gewählte konservative Präsident Nikos
Anastasiades kann sich nur auf eine knappe Mehrheit im
Repräsentantenhaus stützen. Die beiden Mitte-Rechts-Parteien DISY,
aus deren Reihen Anastasiades kommt, und DIKO haben nur 28 von 56
Sitzen. Unsicher ist, ob die acht DIKO-Abgeordneten für das Gesetz
stimmen.
Anstasiades verteidigte die Brüsseler Entscheidung und erklärte,
das Land habe nur diese Alternative gehabt: Zusammenbruch des
Bankensystems mit einem ungeordneten Staatsbankrott oder «das
Szenario eines schmerzhaften, aber kontrollierten Managements der
Krise». Nur mit dem in Brüssel geschnürten Paket sei es möglich, da
ss
Banken überlebten, 8 000 Arbeitsplätze gesichert und der
Schuldenstand Zyperns auf ein tragfähiges Niveau gebracht würden.
Zeichen für die große politische Nervosität war, dass die
ursprünglich für Sonntagnachmittag geplante Abstimmung im Parlament
nach Medienberichten um einen Tag verschoben wurde. Am Montagmorgen
will das Kabinett zu einer weiteren Krisensitzung zusammenkommen,
dann sind Beratungen aller Parteien geplant.
Im Rundfunk des Landes hieß es, die Regierung werde die Banken
notfalls länger schließen, sollte es im Parlament keine Entscheidung
geben.
Wie die Nachrichtenagentur dpa aus dem Finanzministerium Zyperns
erfuhr, soll es in der Nacht in Brüssel zu dramatischen Szenen
gekommen sein. Mindestens drei Mal soll die zyprische Delegation kurz
davor gewesen sein, abzureisen.
In sehr hart geführten Verhandlungen hatten die
Euro-Finanzminister neun Monate nach dem Hilfsantrag der zyprischen
Regierung einen Kompromiss gefunden. Eurogruppen-Chef Jeroen
Dijsselbloem sagte: «Wir haben die Lastenverteilung sehr sorgfältig
geprüft. Wir bestrafen Zypern nicht.»
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die Einigung. «Damit werden
(...) die Verantwortlichen zum Teil mit einbezogen und nicht nur die
Steuerzahler anderer Länder», sagte sie bei einem Parteitreffen in
Mecklenburg-Vorpommern. «Es ist ein guter Schritt, der uns eine
Zustimmung zu einer Hilfe für Zypern sicherlich leichter macht.»
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte sich
zufrieden: «Wir haben nach langen und harten Verhandlungen einen Weg
gefunden, Zypern zu helfen, ohne dabei die Zukunft des Landes zu
verpfänden.» In der zweiten Aprilhälfte könne dem Bundestag das
Hilfsprogramm mit allen Details zur Abstimmung vorgelegt werden.
Neben den Vorbehalten aus den Reihen von SPD, Grünen und
FDP kündigte die Linksfraktion ein Nein an. Aus der Unionsfraktion
hieß es am Sonntag, es sei dennoch davon auszugehen, dass die
Regierung die nötige Mehrheit zusammenbekomme.
Der Bundestag wird voraussichtlich schon am Donnerstag eine erste
Grundsatzentscheidung über die Hilfen treffen. Schäuble informierte
die Haushaltsexperten der Fraktionen am Samstag.