EU und USA starten Verhandlungen über weltgrößte Freihandelszone Von Ansgar Haase und Martin Romanczyk, dpa
17.06.2013 21:06
Entschlossene Politiker, große Worte, ein Projekt für den Wohlstand
der nächsten Generationen: Die EU und die USA wollen die größte
Freihandelszone der Welt schaffen. Die Bundeskanzlerin drängt zur
Eile. Doch nach dem G8-Gipfel wartet mühevolle Kleinarbeit.
Enniskillen (dpa) - Die Europäische Union und die USA beginnen
Verhandlungen über die größte Freihandelszone der Erde und
versprechen ihren 800 Millionen Bürger mehr Wohlstand und
Arbeitsplätze. Die erste Gesprächsrunde startet nach den Worten von
US-Präsident Barack Obama bereits am 8. Juli in Washington.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte einen schnellen
Abschluss der Verhandlungen an. «Es hat schon mehrere Anläufe in der
Geschichte gegeben, und wir sind jetzt verpflichtet, das Ganze zu
einem Erfolg zu bringen», sagte sie am Montag beim G8-Gipfel am See
Lough Erne im nordirischen Enniskillen.
Auch andere Regionen der Erde führten ähnliche Verhandlungen.
Deshalb sei es wichtig, «sehr ambitioniert» und «wirklich schnell zu
arbeiten». «Ein solches Freihandelsabkommen wäre einen Riesenschritt
nach vorne», sagte Merkel.
Die USA und die EU stehen in scharfem Wettbewerb mit aufstrebenden
Nationen wie China, Indien und Brasilien.
Die Spitze der EU und US-Präsident Barack Obama hatten kurz vor
dem Gipfel den offiziellen Startschuss für das ehrgeizige Projekt
gegeben. Die Gespräche werden vermutlich einige Jahre dauern.
Zuversichtlich für einen erfolgreichen Abschluss zeigte sich
Obama. «Wir schaffen neue Arbeitsplätze und neues Wachstum auf beiden
Seiten des Atlantiks», sagte er. «Wir handeln jedes Jahr mit ungefähr
einer Billion US-Dollar in Waren und Dienstleistungen. Und wir
investieren fast vier Billionen Dollar in die jeweils andere
Volkswirtschaft.»
Es geht um den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen.
Unterschiedliche technische Normen, Sicherheitsstandards oder
Wettbewerbsvorschriften schränken den Handel jedoch ein und sperren
Unternehmen aus Europa und den USA vom jeweils anderen Markt aus.
«Ich kann nicht genau sagen, wie lange die Verhandlungen dauern
werden», sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und sprach
von einigen Jahren. Ursprünglich war 2015 angepeilt worden.
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy würdigte den Start. «Das ist
ein Zeichen für den starken politischen Willen auf beiden Seiten»,
sagte er. Die Inhalte seien auf beiden Seiten des Atlantiks
essenziell: «Wachstum, Arbeitsplätze, Wohlstand.» Van Rompuy räumte
schwierige Verhandlungen ein: «Es gibt keine Zauber-Lösungen»,
betonte er.
Unterschiedlichen Vorschriften haben eine Wirkung, die oftmals
Zöllen zwischen 10 und 20 Prozent entsprechen. «Vor zwei Jahren hätte
kaum jemand gewettet, dass die USA und Europa in der Lage sein
werden, diese transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft
(TTIP) in Angriff zu nehmen», sagte EU-Kommissionschef José Manuel
Barroso.
Nach EU-Berechnungen kann ein Freihandelsabkommen für die EU einen
Anstieg der Wirtschaftsleistung um 120 Milliarden Euro pro Jahr und
400 000 neue Arbeitsplätze bedeuten.
Die EU und die USA stehen gemeinsam für fast die Hälfte der
weltweiten Wirtschaftsleistung. Rund ein Drittel der globalen
Handelsströme entfallen allein auf sie.
Der Weg für die bilateralen Gespräche war erst in der Nacht zum
Samstag freigemacht worden. Die zuständigen EU-Minister beschlossen
nach längerem Streit eine gemeinsame Verhandlungsbasis mit den USA.
Frankreich setzte sich dabei mit der Forderung durch, Film, Musik
und andere Medien aus den Verhandlungen zunächst auszuschließen.
Paris fürchtet, dass seine Kulturindustrie Nachteile etwa gegenüber
Hollywood in Kauf nehmen müsste, wenn beim Abschluss eines
Freihandelsabkommens Subventionen wegfallen.
Strittig zwischen den USA und der EU ist insbesondere der
Agrarbereich, wo auch die Regeln für die Einfuhr von gentechnisch
veränderten Futter- oder Lebensmitteln vereinheitlicht werden
müssten.
Nach einer von der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegebenen
Studie würden von einem umfassenden Freihandelsabkommen vor allem die
USA profitieren. Dort würden 1,1 Millionen Arbeitsplätze entstehen,
das Pro-Kopf-Einkommen stiege um gut 13 Prozent, heißt es in der
Untersuchung des ifo-Instituts. In den 27 EU-Staaten könnte das reale
Pro-Kopf-Einkommen um durchschnittlich fünf Prozent höher ausfallen.