Athen schraubt Erwartungen an Schäuble-Besuch nach unten Von Takis Tsafos, dpa

17.07.2013 16:33

Nur für einige Stunden reist Finanzminister Schäuble nach Athen. Es
ist sein erster Besuch seit Beginn der Krise. Schäuble kommt in einer
heißen Phase der Parlamentsabstimmung über ein Entlassungsgesetz.

Athen (dpa) - Wolfgang Schäuble ist nach Bundeskanzlerin Angela
Merkel der bekannteste deutsche Politiker in Griechenland. «Der
beliebteste ist er sicher nicht», sagt Giorgos Antoniades, ein
Zeitungsverkäufer im Zentrum Athens. Für viele Griechen ist der
CDU-Politiker der Hauptverantwortliche für die Sparpolitik und die
Rekordarbeitslosigkeit von 27 Prozent. Sie prangern ihn als
Sparkommissar an. Nun besucht der deutsche Finanzminister an diesem
Donnerstag Athen - erstmals seit Beginn der Krise, die Griechenland
an den Abgrund führte. Die Visite wird nur kurz sein. «Wir erwarten
ermutigende Worte. Mehr wohl nicht», sagte ein Mitarbeiter des
Finanzministeriums am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa.

Schäuble kommt nicht mit leeren Händen: Berlin will sich mit rund
100 Millionen Euro an einem Wachstumsfonds beteiligen, allerdings nur
unter Bedingungen, wie es aus deutschen Ministeriumskreisen hieß. Das
entsprechende Memorandum solle am Donnerstag in Athen unterzeichnet
werden, verlautete aus Athen. Die sogenannte Wachstumsinstitution
(Institution of Growth) solle hauptsächlich günstige Kredite für
kleine und mittelständische Betriebe vergeben, die jede Unterstützung
in der andauernden Rezession benötigen. Sie soll insgesamt über ein
Kapital in Höhe von 500 Millionen verfügen.

Schäuble will eine kurze Rede vor der griechisch-deutschen
Handelskammer in Athen halten und sich mit dem griechischen
Regierungschef Antonis Samaras und seinem Amtskollegen Ioannis
Stournaras treffen. Mit letzterem gibt es dann auch eine
Pressekonferenz im Finanzministerium. Mögliche Proteste auf den
Straßen wird Schäuble deshalb wohl nur am Rande mitbekommen.

Die großen Demonstrationen und Streiks in Athen und anderen
Städten richteten sich in dieser Woche vielmehr gegen die geplanten
Massenentlassungen bei den Staatsbediensteten. Brisante gesetzliche
Regelungen sollten von der nur noch knappen Mehrheit der
Regierungskoalition in der Nacht beschlossen werden, die wackeln
könnte. Angesichts der Dauerkrise in Athen war dies jedoch kein Grund
zum Ausladen des von vielen nicht gern gesehenen Gastes. Viele
Griechen fühlen sich bevormundet - von den Deutschen und anderen
reichen Euroländern.

Finanzminister Stournaras hat viele Themen mit Schäuble zu
besprechen. So wird Griechenland voraussichtlich nach dem Ende des
aktuellen Hilfsprogramms 2014 weitere Hilfen brauchen. Die Griechen
haben von den 50 Milliarden Euro, die für die Rekapitalisierung ihrer
Banken vorgesehen waren, nur 37 Milliarden genutzt. Athen ist der
Ansicht, dass die restlichen 13 Milliarden als eine Art
Sicherheitspolster verwendet werden könnten, falls Griechenland
tatsächlich nächstes Frühjahr frisches Geld brauchen sollte.

Nicht zuletzt wollen die Griechen auch ein anderes brenzliges
Thema ansprechen, von dem Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel (beide
CDU) nichts hören wollen: Es geht um die Hoffnung Athens auf einen
weiteren Schuldenschnitt - diesmal für Staatsanleihen, die in der
öffentlichen Hand sind. Dies würde dann vor allem die Euroländer, die

Europäische Zentralbank (EZB) und eben die europäischen Steuerzahler
treffen. Berlin lehnt das bislang strikt ab.

Doch von der großen Wut der Griechen, die noch vor einem Jahr
tobte, ist inzwischen weniger zu spüren. Im Frühjahr 2012 hatte
Griechenlands Präsident Karolos Papoulias Schäuble scharf attackiert.
Der heute 84-Jährige empörte sich über die harte Haltung Deutschlands

und anderer großer Geldgeber. «Ich akzeptiere es als Grieche nicht,
dass mein Land von Herrn Schäuble beleidigt wird», polterte
Papoulias. «Wer ist denn Herr Schäuble, der Griechenland beleidigen
kann. Wer sind denn die Niederländer, wer sind die Finnen?»