(dpa-Interview) Tsipras: Der Sparkurs teilt Europa Von Takis Tsafos und Christina Pirovolakis, dpa
24.01.2014 11:17
Der Chef der Linken in Griechenland, Alexis Tsipras, macht keinen
Hehl daraus: Die Sparprogramme müssen beendet werden. Wenn die
Geldgeber dem nicht zustimmen, wäre er gezwungen, keine Kredite mehr
zurückzuzahlen, falls er Regierungschef werden sollte.
Athen (dpa) - Er ist jung, dynamisch und gilt als ein
Senkrechtstarter der griechischen Linken: Alexis Tsipras (39) hat in
den vergangenen vier Jahren seine Partei, das Bündnis der radikalen
Linken (Syriza) vor der Bedeutungslosigkeit bewahrt. Syriza führt
derzeit in allen Umfragen vor den in einer Koalition regierenden
Konservativen und Sozialisten unter Regierungschef Antonis Samaras,
Beobachter schließen Neuwahlen nicht aus.
Frage: Herr Tsipras, Sie kandidieren als Vertreter der
Europäischen Linken für Amt des EU-Kommissionspräsidenten. Welche
Vision haben Sie für Europa in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Antwort: Das heutige Europa der Austerität verteilt Reichtum unter
die Wenigen und Angst an die Mehrheit (der Menschen). Diese Politik
funktioniert als Ursache des euroskeptischen Stroms. Unser
politisches Angebot lautet: Die Austerität hat Europa in die
Sackgasse geführt und muss sofort beendet werden.
Frage: Was braucht Griechenland jetzt?
Antwort: Griechenland braucht jetzt einen Wachstumsplan. Es
braucht Finanzierung für die Unterstützung der reellen Wirtschaft,
damit die Wirtschaft wächst. Unsere Verhandlung wird diese
Orientierung haben: Einen Aufschub für die Abbezahlung der Schulden,
einen Schnitt eines großen Teils der Schulden (...) und einen
sogenannten «New Deal» für ganz Europa, damit wir das Wachstum
finanzieren können - und dies würde das Ende der Krise signalisieren.
Frage: Was sagen Sie dem deutschen Bürger und Steuerzahler. Was
passiert, wenn das alles nicht klappt und eingehalten wird? Dann wird
er doch zur Kasse gebeten. Was sagen Sie dem Mann auf der Straße in
Deutschland dazu?
Antwort: Ich habe großen Respekt vor dem deutschen Steuerzahler.
Meine Nachricht an ihn ist, dass er Gefahr laufen wird, immer wieder
in die eigene Tasche greifen zu müssen (zu zahlen), genau wenn dieses
(Spar-)Programm fortgesetzt wird. Vorher hatte Griechenland Schulden,
die 120 Prozent des Bruttoinlandproduktes betrugen. Nach drei Jahren
Umsetzung des Programms haben die Schulden nun 175 Prozent des BIP
erreicht. Deutschland hat wegen der niedrigen Zinsen 40 Milliarden
(Euro) gewonnen. Natürlich es ist nicht der einzelne Steuerzahler,
der gewinnt. Es sind die Banker und die deutsche Elite, die gewinnen
und nicht der deutsche Arbeitnehmer, dessen Gehalt in den letzten
Jahren eingefroren blieb. Diese Strategie der Kanzlerin Merkel ist
kurzsichtig. Sie beinhaltet die Gefahr der Auflösung der Eurozone und
Europas.
Tsipras kritisierte am Rande des Interviews den Präsidenten des
Europaparlamentes, Martin Schulz. Schulz agiere so, als wäre er der
Kandidat der CDU und von Bundeskanzlerin Merkel, sagte Tsipras.
Tsipras zeigte sich «verwundert», nachdem er vor ein paar Tagen ein
Interview von Martin Schulz gelesen habe, in dem Schulz die Ansicht
äußerte, dass Bundeskanzlerin Merkel zu Unrecht für jede negative
Entwicklung in Europa verantwortlich gemacht werde. Sie sei eine von
insgesamt 28 Regierungschefs, die gemeinsam Entscheidungen treffen,
hatte Schulz gesagt. «Ist Herr Schulz ein Kandidat der
Sozialdemokraten oder ein Kandidat von Frau Merkel und der CDU?»,
sagte Tsipras der dpa. «In seinem Interview hat Schulz mir den
Eindruck gegeben, dass er öffentlich seinen Wunsch kundgetan hat,
Frau Merkels bevorzugter Kandidat für Europa zu sein. Die Frage ist,
ob die soziale Basis der Sozialdemokraten diesen Wunsch teilt.»
«Wollen die einfachen SPD-Wähler Frau Merkel unkontrolliert in
Europa oder ein Europa des demokratischen Gegengewichts zu der
Arroganz und Willkür des Neoliberalismus?», sagte der 39-jährige
Politiker weiter. Eine Allianz von Schulz und Merkel garantiere
Tsipras Ansicht nach nur die Fortsetzung der Austerität, der
Rezession und der Arbeitslosigkeit. «Wir wenden uns an den einfachen
deutschen Bürger, der traditionell für die SPD stimmt: Wir fordern
ihn auf, bei den Wahlen am 25. Mai zur Wahlurne zu gehen und mit
seiner Stimme für die Europäische Linke zu stimmen um damit ein
Zeichen der Hoffnung und des Wandels zu setzen.»