Ehemalige Straftäter finden nur schwer Arbeit - ein EU-Projekt hilft Von Anika von Greve-Dierfeld, dpa

16.04.2014 08:29

Keine Ausbildung, arbeitslos gewesen und dann auch noch im Gefängnis
gesessen - mit diesem Werdegang ist es für viele ehemalige Straftäter
enorm schwer, einen Job zu finden. Ein von der EU unterstütztes
Projekt soll ihnen im Südwesten dabei helfen.

Pforzheim/Bad Wildbad (dpa) - Tattoos schlängeln sich aus Uwe
Schuardts Kragen, winden sich aus abgewetzten Jackenärmeln auf die
Handrücken und enden dort etwas verloren. Ihm und seinen Kollegen
sieht man die brüchigen Biografien an, die katastrophalen Kindheiten,
die lange Arbeitslosigkeit nach Gefängnis- oder Bewährungsstrafen.
Dass Schuardt und die anderen wieder in Lohn und Brot kommen - darum
kümmert sich in Baden-Württemberg das bundesweit einmalige, aus
EU-Mitteln finanzierte Projekt «Integration straffälliger Männer und

Frauen in Arbeit», kurz ISAtrans.

An drei Standorten - Stuttgart, Lahr im Ortenaukreis und Pforzheim -
üben seit Anfang 2012 etwa 70 ehemalige Straffällige pro Jahr, wie
Arbeit geht. «Sie lernen zum Beispiel, pünktlich und regelmäßig zu

kommen und durchzuhalten», erklärt Oliver Kaiser von der Werkstatt
Parität, einem der vier Projektträger. Rund 1,1 Millionen aus dem
Europäischen Sozialfonds (ESF) stehen dafür noch bis Ende des Jahres
bereit.

Als Pforzheimer ISAtrans-Projektteilnehmer schuftet Schuardt derzeit
mit sieben anderen in Bad Wildbad (Kreis Calw). Der 33-Jährige saß
wegen Raubs und Körperverletzung. Oliver Burckhardt beging
Fahrerflucht, Alexander Spittler steckte in der Drogenkriminalität.
Was sie noch gemeinsam haben: keine Ausbildung, schlechte
Arbeitsperspektiven. Sie roden gerade ein Waldstück. Schwerarbeit.
Schuardts Hand ist schweißnass, als er sie aus dem Handschuh zieht.

«Die Arbeit bringt Sinn in meinen Alltag», sagt der 33-Jährige. Er
hat vier Kinder und kann das Zubrot, dass ihm diese Arbeit bringt,
gut brauchen. Die Teilnehmer arbeiten 30 Stunden pro Woche und
bekommen 1,50 bis 2 Euro pro Stunde - zusätzlich zu 382 Euro Hartz
IV. Entlohnt werden sie von den Jobcentern.

Die ISAtrans-Mittel selbst fließen vor allem in die Bezahlung der
Betreuer der Arbeitsgruppen sowie Werkzeug oder Arbeitskleidung.
Arbeit gibt es vor allem im Landschaftsbau, der Waldpflege und in der
Wegeinstandhaltung. «Das entspricht oft den Möglichkeiten der
Menschen, die unser Angebot in Anspruch nehmen», sagte Sascha
Oechsle, der die Pforzheimer ISAtrans-Gruppe betreut. Ziel ist, dass
die Teilnehmer sechs Monate dabei bleiben.

ISAtrans ist nur eines von zahlreichen, mit ESF-Geldern finanzierten
Projekte im Südwesten. In der Förderperiode 2007 bis 2013 flossen
dafür 266 Millionen Euro. Das Geld floss zum Beispiel in Programme
für wohnungslose Frauen oder für arbeitslose Senioren.

Die Projektträger arbeiten mit zwei Partnerorganisationen in Italien
und einer in Frankreich zusammen. «Wir lernen, wie andere Länder die
Integration von Straffälligen in den Arbeitsmarkt angehen», sagt
Oechsle.

Straffällige in Arbeit zu bringen, ist schwer. «Die Leute, die bei
uns ins Gefängnis kommen, hatten ganz überwiegend schon vorher keine
Arbeit - und sie gehen meist ohne Arbeitsperspektive auch wieder
raus», sagt Matthias Weckerle, Chef der JVA Rottenburg.

Rund 7000 Häftlinge wurden 2013 nach Angaben des Justizministeriums
im Südwesten entlassen. Wie viele davon Arbeit fanden, ist unbekannt.
«Diese Statistik endet an der Gefängnismauer», sagt eine Sprecherin.


Auch nach ISAtrans ist es schwer, im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Von
den 77 Straffälligen, die 2013 an einem der drei Standorte am Projekt
teilnahmen, konnten acht Leute in Arbeit und einer in eine Ausbildung
vermittelt werden. Doch Schuardt ist optimistisch. Er darf bald in
einer Küche ein Praktikum machen. Und dann will er Koch werden.