Hoffnung für Khamis - EU hilft Flüchtlingen auf dem Weg in den Job Von Rebecca Krizak

16.05.2014 08:28

Nach einer langen Flucht nach Deutschland erwartet Asylsuchende hier
meistens erstmal nichts außer Warten und Hoffen. Doch das muss nicht
sein: In Bayern fördert die EU die frühe Integration von Flüchtlingen

aus der ganzen Welt. Und gibt ihnen eine Perspektive.

Miesbach (dpa) - «Hast du noch Fragen, Khamis?», sagt die Lehrerin.
«Nein, alles passt schon», antwortet dieser. Vor zehn Monaten hätte
er nicht einmal die Frage verstanden, geschweige denn diese bayerisch
eingefärbte Antwort geben können. Khamis aus Syrien ist einer von 16
Asylbewerbern, die im Berufsschulzentrum Miesbach in Oberbayern auf
das Berufsleben vorbereitet werden.

Zwei Jahre lernen hier Flüchtlinge aus der ganzen Welt gemeinsam. Das
erste Jahr besteht aus Deutsch-Unterricht. Im zweiten Jahr wechseln
sich Berufsschulunterricht und Praktika ab. Ziel ist es, den
Jugendlichen den Weg in die Arbeitswelt zu erleichtern. «Die zwei
Jahre hier machen es einfacher, an eine Arbeitserlaubnis zu kommen»,
erklärt Jürgen Ersing von der Regierung Oberbayern.

34 500 Euro bekommt die Berufsschule in Miesbach für das Projekt pro
Jahr aus dem EU Sozialfonds. Das deckt gut die Hälfte der
Gesamtkosten. Der Rest kommt vom Land Bayern. Aus dem Sozialfonds
werden in den nächsten sechs Jahren knapp 300 Millionen Euro nach
Bayern fließen. Sie werden für die Armutsbekämpfung, soziale
Inklusion und Bildung eingesetzt. Mit Hilfe der Förderung sollen auch
weitere solcher Berufsschulklassen entstehen. 70 im nächsten Jahr, so
der Plan.

Das Geld der EU wird in Miesbach nicht nur für den Unterricht
ausgegeben. Es werden auch Sozialarbeiter bezahlt, die die
Jugendlichen psychologisch betreuen. Denn alle von ihnen haben in
ihrer Heimat und auf der Flucht schlimme Dinge erlebt, auch Khamis.

Als in seiner Heimat der Bürgerkrieg ausbrach, studierte er in
Damaskus Elektroingenieurswesen. Dann steckte man ihn eines Tages ins
Gefängnis. «Einfach, weil ich aus der falschen Region kam. Das
alleine machte mich schon verdächtig», sagt er. Dann habe er gesehen,
wie Kinder getötet wurden - und beschlossen zu fliehen. «In Syrien
kann niemand mehr leben. Überall sind Bomben und Krieg», erzählt er.

Seine Mutter gab Khamis und seinem Bruder ihr ganzes Geld für die
Flucht. Das war vor einem knappen Jahr. Seitdem ist er in
Deutschland.

In die Zukunft der jungen Flüchtlinge zu investieren, sei besonders
wichtig, meint Ersing von der Regierung Oberbayern. Denn viele von
ihnen hätten Chancen hierzubleiben. Doch der Unterricht ist kein
reines Gutmensch-Projekt. Dahinter stehen auch wirtschaftliche
Interessen. «Würden wir diese Jugendlichen in ihren Unterkünften
lassen, landen sie zwangsläufig in Hartz IV», meint Ersing.

Auch wenn die Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren, ob
gezwungenermaßen oder freiwillig, sei es eine lohnende Investition.
«Egal, wie es für die Flüchtlinge ausgeht. Mit ihren
Deutsch-Kenntnissen und ihrer Heimatsprache werden sie gefragt sein.
Bleiben sie, können sie wirtschaftliche Kontakte in ihre Heimatländer
aufbauen. Können sie irgendwann wieder in ihr Heimatland gehen,
werden sie da vielleicht Handel mit unseren Firmen in Europa
treiben», erläutert Ersing.

Vor ein paar Tagen ist Khamis unerwartet über Nacht zum Star seiner
Klasse geworden: Er bekam einen Pass und eine dreijährige
Aufenthaltserlaubnis von den deutschen Behörden. Den Pass hat er zum
Unterricht mitgebracht und sich von den anderen feiern lassen. Im
September kann er an die Technische Universität München gehen und
dort sein Studium beenden. Sein Ziel? «Ich will meiner Mutter zeigen,
dass es sich gelohnt hat. Ich will der Beste sein.»