Obama demonstriert in Ukraine-Krise Stärke - EU betont Diplomatie Von Martin Romanczyk, dpa

03.06.2014 18:13

Die Rezepte des Kalten Krieges kommen wieder auf dem Tisch. Die
Nato-Verteidigungsminister prüfen militärische Antworten auf
russisches Großmachtstreben. US-Präsident Obama gibt den Falken.

Warschau/Brüssel (dpa) - Nach Russlands Annexion der Krim kehren die
USA zur Politik der militärischen Abschreckung in Osteuropa zurück.
US-Präsident Barack Obama kündigte in Warschau an, eine Milliarde
Dollar (etwa 735 Millionen Euro) mobilisieren zu wollen, um befristet
zusätzliche US-Truppen im einst kommunistischen Machtbereich Moskaus
zu stationieren.

Zu Beginn seiner Europareise hatte Obama in Polen klargestellt: «Die
Sicherheit unserer Bündnispartner ist die Grundlage unserer eigenen
Sicherheit.»

Die Nato-Verteidigungsminister prüften am Dienstag in Brüssel, welche
Optionen das Bündnis hat, russisches Expansionsstreben wirksam
abzuschrecken. Prorussische Kämpfer und ukrainische Regierungstruppen
lieferten sich weiter im Osten des Landes verlustreiche Gefechte.

Deutschland, Polen und Dänemark verstärken das Nato-Korps im
polnischen Stettin, das für die Planung von Operationen und Übungen
zuständig ist. Das gaben die Verteidigungsminister der drei Länder
nach Nato-Angaben bekannt. Die Runde begrüßte die Pläne Obamas.

Leisere, auf Diplomatie setzende Töne im Umgang mit Russlands
Präsidenten Wladimir Putin kamen vor Beginn des G7-Gipfels an diesem
Mittwoch in Brüssel von der Europäischen Union.

Die EU richtet den Gipfel in diesem Format erstmals aus. Sie sprang
nach der Absage der führenden westlichen Industriestaaten (G7) an den
G8-Gipfel im russischen Sotschi als Gastgeber ein.

Obama, der Polen auf dem Weg zum G7-Gipfel besuchte, stellte mit
Blick auf Moskau klar, die Sicherheit der östlichen Nato-Partner sei
«unantastbar».

Der US-Präsident wollte am Mittwoch in Warschau den neuen
ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko treffen. Er US-Präsident
ermahnte die Alliierten, angesichts der völkerrechtswidrigen Annexion
der zur Ukraine gehörenden Krim, die Militärausgaben wieder
hochzufahren. Obama sprach mit seinem polnischen Amtskollegen
Bronislaw Komorowski und Regierungschef Donald Tusk.

Entscheidungen über neue Verteidigungspläne und Stationierungen
sollen erst beim Gipfel der 28 Nato-Verbündeten Anfang September in
Newport (Wales) fallen, wie Nato-Generalsekretär Anders Fogh
Rasmussen sagte. Er warf Russland vor, Stabilität und Sicherheit der
euro-atlantischen Region zu bedrohen.

Vor allem Polen, aber auch Litauen, Lettland, Estland und Rumänien
fordern die Stationierung von Kampftruppen anderer Nato-Mitglieder.

Diplomaten zufolge lehnen Deutschland, Frankreich und Großbritannien
dauerhafte Truppenstationierungen im östlichen Nato-Bündnisgebiet ab.
Ungeachtet der Obama-Initiative für befristete Pläne tragen auch die
USA diese Haltung mit, wie es hieß.

Den Angaben zufolge soll die Nato durch Manöver, mehr Ausbildung,
eine schnellere militärische Reaktionsfähigkeit ihre
Einsatzbereitschaft demonstrieren.

Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU)
äußerte sich ausweichend und sprach vom «richtigen Maß an
Selbstbewusstsein, aber eben auch Besonnenheit».

Auch beim zweitägigen G7-Gipfel stehen die Zusammenarbeit mit
Russland und die Stabilisierung der fast bankrotten Ukraine-Krise
ganz oben auf der Agenda.

Wie EU-Diplomaten sagten, will die Gipfelrunde ein Signal an Moskau
senden, weiter bereit zur Entspannung zu sein, so die russische
Führung den Forderungen der Europäer nachkomme. «Wir rufen Russland
auf, den neuen ukrainischen Präsidenten anzuerkennen, direkte
Verhandlungen mit der Ukraine zu beginnen und die Destabilisierung
von Regionen in der Ost-Ukraine zu beenden», sagte ein Diplomat.
Dennoch bleibe die Option auf dem Tisch, Strafmaßnahmen der EU und
der G7 zu verschärfen.

Putin will an diesem Freitag in Frankreich mit Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) sprechen. Das Treffen ist vor den offiziellen Feiern zum
70. Jahrestag der Truppenlandung der Alliierten in der Normandie
geplant. Das sagte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow der
Agentur Interfax.

Frankreichs Staatschef François Hollande will den Kremlchef nach
russischen Angaben schon am Donnerstagabend empfangen. Auch
Großbritanniens Premier David Cameron sei zu einem Gespräch bereit.

Es ist das erste Mal seit der Annexion der Krim im März, dass Putin
persönlich mit westlichen Staats- und Regierungschefs zusammentrifft.

Der klare Sieger der Präsidentenwahl, der milliardenschwere
Schokoladenfabrikant Poroschenko, muss im Osten der Ukraine weiter
mit prorussischen Separatisten fertig werden. Diese beklagten neue
schwere Luftangriffe der ukrainischen Streitkräfte. Das Dorf
Semjonowka nahe der Großstadt Slawjansk sei am Dienstag beschossen
worden, wie einer der Anführer der Aufständischen der Agentur
Interfax sagte. Es soll Tote und Verletzte gegeben haben.