Kreditmangel-Albtraum in Griechenland - Banken und Unternehmer ratlos Von Takis Tsafos, dpa
12.06.2014 08:30
Teufelskreis in Griechenland: Die EZB übt Druck auf die Banken aus,
an Unternehmen Kredite auszugeben, um die Investitionen anzukurbeln.
Die Banken haben ihrerseits Angst, welche zu vergeben, weil sie zu
viele faule Kredite vor sich herschieben. Unternehmer verzweifeln.
Athen (dpa) - Die Absichten der Europäischen Zentralbank (EZB) sind
klar: Mit Geldflut und Niedrigzinsen sollen die Banken vor allem im
Süden Europas dazu getrieben werden, endlich mehr Kredite zu
vergeben, um die Wirtschaft anzukurbeln. In Griechenland rührt sich
aber nach wie vor nichts. Viele Unternehmer sind ratlos. Vor allem
Mittelständler und Kleinunternehmer stecken in der Klemme und kommen
an keine Kredite für ihre Investitionspläne. Aber auch die Banker
haben Angst. Sie haben mit faulen Krediten in enormen Ausmaß zu
kämpfen.
«Ich sage es ganz einfach: Ich darf nur in meinen Träumen auf einen
Kredit hoffen», schildert Hotelier Dimitris Skalides der dpa seine
Lage. Er besitzt ein mittelgroßes Hotel im Ferienort Tolo im Osten
der Halbinsel Peloponnes. «Ich wollte im Winter einige Zimmer
renovieren, weil der Tourismus dieses Jahr boomt, aber ich habe
keinen Cent bekommen», sagt Skalides. So könne es kein Wachstum geben
und damit auch keine neuen Arbeitsplätze. Auch Restaurant-Besitzer in
dem kleinen Hafenort Methoni an der südwestlichen Spitze der
Halbinsel klagen, trotz gut laufender Geschäfte sei es zwecklos, für
den geplanten Ausbau bei den Banken nach Krediten zu fragen.
Banker sehen sich ihrerseits in der Bredouille. «Wir können nicht
gegen die Interessen der Bank Geld verleihen. Wir haben zu viele
faule Kredite. Erst müssen wir sehen, was damit passiert», erklärt
ein hoher Funktionär der zweitgrößten Bank des Landes.
Nach Veröffentlichung der Zentralbank (Bank of Greece) vom Mai
erreichen die faulen Kredite, deren Rückzahlung ungewiss ist, ein
Volumen von inzwischen gut 71 Milliarden Euro. Das ist fast ein
Drittel aller Kredite (rund 215 Milliarden Euro). Und die Aussichten
sind schlecht: Mehr als jeder Dritte dieser faulen Kredite wird
voraussichtlich nie zurückgezahlt. Denn viele Unternehmen, die
Kredite aufgenommen haben, sind inzwischen Pleite gegangen.
Experten gehen sogar davon aus, dass die faulen Kredite Ende des
Jahres schon 40 Prozent des Gesamtvolumens der ausgegebenen Kredite
ausmachen werden. Auch darin sei ersichtlich, dass Griechenland immer
noch in der Finanzmisere steckt. «Zudem fehlen uns rund 80 Milliarden
Euro, die die Griechen im Zuge der Finanzkrise ins Ausland geschafft
haben oder in Truhen und anderen Verstecken horten», sagt der Banker.
«Wie soll ich jetzt unter diesen Bedingungen einen Kredit
genehmigen?», fragt er.
Manche Kleinunternehmer haben alles auf eine Karte gesetzt. «Mit drei
Freunden haben wir unsere letzen Ersparnisse zusammengekratzt und
dieses italienische Restaurant im Zentrum Athens aufgemacht. Wir
haben für die Ausrüstung alles selbst gezahlt, alles reingesteckt und
beten, dass nichts schief geht», berichtet Neoptolemos Nikolaou,
Sein italienisches Restaurant an der Valaoritou Straße kann nach
seiner Schilderung derzeit gerade noch überleben. «Wir haben die
Preise gesenkt, mit 5,50 Euro kann man bei mir richtig essen, aber
die Menschen haben kein Geld», sagt er.
Seit 2009 haben die Griechen durchschnittlich im Verlauf der großen
Krise des schuldengeplagten Eurolandes nach offiziellen Angaben mehr
als 30 Prozent ihres Einkommens verloren. Gut 26 Prozent sind
arbeitslos. Als Tropfen auf dem heißen Stein werden die rund 200
Millionen Euro angesehen, mit denen der deutsch-griechische
Förderungsfonds jungen und kleineren Unternehmern unter die Arme
greifen soll.
Einen Hoffnungsschimmer gibt es dennoch: Dieses Jahr boomt der
griechische Tourismus. Zwischen 19 und 20 Millionen Besucher werden
erwartet. «Es ist die einzige Quelle, die Bargeld ins Land bringt»,
sagt Hotelier Skalides. Illusionen mache er sich nicht mehr: «Wenn
ich von den Banken was erwarte, dann verliere ich nur Zeit.»