Kommt die Vorratsdatenspeicherung wirklich? Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa
08.03.2015 16:00
Die Vorratsdatenspeicherung galt lange als unpopuläres Thema, mit dem
man beim Wähler nicht punkten kann. Trotzdem verhandelt die große
Koalition jetzt über die Wiedereinführung dieser seit 2010 verbotenen
Maßnahme.
Berlin (dpa) - Für die einen ist die Vorratsdatenspeicherung ein
digitaler Nacktscanner, mit dem Polizisten unschuldige Bürger
durchleuchten. Die anderen halten sie für einen wichtigen Teil des
Instrumentariums der Polizei - auch in der Terrorfahndung. Wie der
Gesetzentwurf aussehen könnte, an dem Union und SPD jetzt arbeiten
sollen, ist noch nicht bekannt.
Um welche Daten geht es überhaupt?
Telefonanbieter und Internetprovider sollen ohne konkreten Anlass für
eine bestimmte Zeit alle Standort- und Kommunikationsdaten
aufbewahren. Aufgezeichnet werden keine Inhalte, also zum Beispiel
Telefongespräche oder Chats, sondern nur die sogenannten Metadaten.
Diese geben Auskunft darüber, wer wann und von wo aus mit wem
kommuniziert hat.
Was bringt das?
Einige Fachleute sind der Ansicht, dass dieses Anhäufen von Daten zur
Verhinderung von Straftaten untauglich sei. Sie sagen: «Wenn ich mehr
Heu auf einen Haufen werfe, wird es dadurch nicht leichter, eine
darin versteckte Stecknadel zu finden.» Wenn ein Verbrechen schon
passiert ist, kann die Auswertung der Verbindungsdaten aber bei der
Fahndung nach Komplizen oder Hintermännern helfen. Aus Sicht der
Polizei hilft die Vorratsdatenspeicherung vor allem im Kampf gegen
terroristische Netzwerke und Drogenbanden sowie im Bereich der
Kinderpornografie.
Was bedeutet das konkret für den Kampf gegen Terrorismus?
Als Beispiel werden gerne die Terrorattacken auf die Redaktion des
französischen Satiremagazins «Charlie Hebdo» und einen koscheren
Supermarkt im vergangenen Januar angeführt. Gegner der
Vorratsdatenspeicherung weisen darauf hin, dass die in Frankreich
erlaubte Maßnahme diese Anschläge nicht verhindert hat. Die
Befürworter halten dagegen, die Auswertung gespeicherter
Kommunikationsdaten haben es den Ermittlern nach dem ersten Anschlag
ermöglicht, Verbindungen zu anderen Extremisten schnell zu erkennen
und mögliche Mitwisser zu identifizieren.
Wer ist für die Vorratsdatenspeicherung und wer ist dagegen?
Die Union ist generell dafür. Doch das Thema galt lange Zeit als
unpopulär - vor allem nachdem Richter Bedenken gegen die alten
deutschen und europäischen Regelungen zu Mindestspeicherzeiten
angemeldet hatten. Unter dem Eindruck des Terrors von Paris hat
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärt, eine Neuregelung sei
dringend geboten. Seither ist wieder Bewegung in die Debatte
gekommen. Beim Koalitionspartner SPD ist das Bild gemischt.
SPD-Innenminister Jäger (NRW) ist dafür. Parteichef Sigmar Gabriel
zeigt sich «offen». Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat seine
Ablehnung mehrfach bekräftigt.
Wann kommt der Gesetzentwurf?
Das kann noch niemand sagen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass bis
zum Sommer zumindest erste Eckpunkte feststehen, ist hoch. Bislang
strebte die Bundesregierung eine EU-einheitliche Regelung an, doch
diese ist vorerst nicht in Sicht. Die Bundesregierung plant deshalb
nun einen deutschen Alleingang.
Und was denkt die Opposition im Bundestag?
Die Linke und die Grünen haben große Vorbehalte gegen die
Vorratsdatenspeicherung. Auch Datenschützer und unabhängige
Netz-Aktivisten sind entsetzt über die Pläne der Regierung.