«Jammern und Schaudern» - Die Bausteine des griechischen Dramas
02.07.2015 10:01
Berlin (dpa) - In Berichten über die Schuldenkrise in Griechenland
ist häufig vom «griechischen Drama» oder der «griechischen Tragöd
ie»
die Rede. Liest man genauer beim Dramentheoretiker Aristoteles nach,
merkt man: Das beliebte Wortspiel ist treffender, als man denken mag.
TREFFEN, ABER NICHT ZUEINANDERFINDEN: Bei der Anagnorisis laufen sich
Freunde und Verwandte über den Weg, erkennen einander aber zunächst
nicht und halten sich schlimmstenfalls für Todfeinde. Aristoteles
fasst es etwas weiter: Leute wissen einfach nicht, dass sie etwas
Törichtes getan haben. So erkennt Ödipus erst viel später seinen Mord
am Vater.
DER TRAGISCHE HELD: Aristoteles möchte den Helden einen Umschlag vom
Glück ins Unglück erleben lassen. Und zwar nicht, weil er schlecht
oder niederträchtig wäre. Der Held begeht einfach einen Irrtum.
DAS SCHWERE LEID: In griechischen Tragödien muss der tragische Held
schweres Leid ertragen. Dabei wird er idealerweise unschuldig zum
Schuldigen. Aus verletztem Stolz gerät er immer tiefer ins Elend.
DER WENDEPUNKT (PERIPETIE): Das bedeutet, dass plötzlich genau das
Gegenteil des Erwarteten eintritt. Die Peripetie kann die Katastrophe
oder das Happy End bedeuten. Dieser Umschwung sollte schlüssig sein,
ohne einen Eingriff von außen zustande kommen, forderte Aristoteles.
Am besten wirkt er, wenn die Freunde sich zugleich endlich erkennen.
JAMMERN UND SCHAUDERN: Das grausige Geschehen soll laut Aristoteles
beim Publikum «Jammern und Schaudern» auslösen. Das soll Reinigung
(Katharsis) bewirken. Lange Zeit stritten Forscher, ob Zuschauer VON
Erregungszuständen oder DURCH Erregungszustände gereinigt werden.