Mit Traktoren und Transparenten: Bauern-Demo in Brüssel Von Rebecca Krizak und Marion Trimborn, dpa

07.09.2015 15:38

Protest auf großen Rädern: Mit etwa 2000 Traktoren sind Europas
Bauern in Brüssel auf die Straße gegangen. Brennendes Heu und
lärmende Hupkonzerte waren eine Mahnung für die EU-Minister. Ihre
Forderung: Mehr Hilfen der EU für Milchbauern.

Brüssel (dpa) - Durch das Europa-Viertel in Brüssel ist am Montag
kein Durchkommen mehr. Wütende Landwirte blockieren seit dem Morgen
mit ihren Traktoren die Straßen und verharren schimpfend vor
Straßensperren, die von Hunderten Polizisten gesichert werden. Einige
Bauern stecken Heu in Brand, andere lassen ohrenbetäubend die Hupen
ertönen. Landwirte aus Deutschland haben Kuh-Attrappen in
Schwarz-Rot-Gold an ihre Traktoren gebunden und zeigen Plakate mit
einer erhobenen Faust. Auf Transparenten fordern die Milchbauern:
«Melkt doch selbst» oder «Bauern brauchen einen fairen Preis: 50
Cent».

Tausende Bauern sind gekommen, um nach dem drastischen Fall der
Milchpreise finanzielle Hilfen der EU zu fordern. Ziel ihres Protests
ist der EU-Ministerrat, wo Europas Agrarminister über Sofortmaßnahmen
beraten. Die europäischen Landwirte sind dafür bekannt, kräftig Radau

zu machen, wenn es um ihre Interessen geht. Die Polizei muss
Wasserwerfer einsetzen, als einige Landwirte mit Traktoren die
Straßensperren demolieren.

«So soll es doch sein», sagt Arthur Kolb. Der Milchbauer sitzt in
bayerischer Tracht auf einem Strohballen und beobachtet den Trubel um
sich herum. Er ist einer von rund 800 deutschen Landwirten, die nach
Brüssel gekommen sind. Die Nacht ist er durchgefahren.

65 Kühe hat Kolb zu Hause im Allgäu, morgen früh muss er wieder
zurück im Stall sein. Und da würde er auch gerne noch die Jahre bis
zur Rente verbringen. Doch er macht sich Sorgen: «Die Preise machen
die Betriebe kaputt», erklärt er. «Die bäuerliche Landwirtschaft
stirbt langsam.» Den Hof will er später seinen Kindern übergeben,
«aber doch bittschön mit einer anständigen Perspektive.»

Wie man diese Perspektive schaffen könnte, ist umstritten - auch
unter den Bauernverbänden. Während der Deutsche Bauernverband (DBV)
finanzielle Soforthilfen und eine europäische Exportoffensive
fordert, spricht sich der europäische Milchbauernverband European
Milk Board (EMB) für eine Mengenkürzung aus.

Unter den Bauern auf den Brüsseler Straßen scheint klar zu sein, wen
man unterstützt. Ein Schild mit der Aufschrift DVB und einem
Stinkefinger prangt an mehreren Traktoren. «Wir brauchen eine
Drosselung der Menge», erklärt ein Landwirt aus dem Schwarzwald. «Wir

wollen keine Zuschüsse, sondern einfach nur von unserer Milch leben.»

Ihren Frust lassen die Bauern auch an Bundeslandwirtschaftsminister
Christian Schmidt (CSU) aus, der staatliche Eingriffe skeptisch sieht
und auch Bauern in die Pflicht nehmen will. «Von Schmidt kommt gar
nichts», klagt Jungbauer Jan Borchers aus Emden. «Und die ganze Leier
von Kostenreduzierung ist Quatsch. Wir sind doch keine Dummbeutel,
wir werfen das Geld doch nicht zum Fenster raus.»

Bei den niedrigen Preisen von unter 30 Cent, die Bauern derzeit noch
für Milch bekämen, seien einige Höfe einfach gezwungen, aufzugeben.
«Es muss auch für uns noch was übrig bleiben», sagt Volker Vienna,

der im Landkreis Aurich einen Hof hat, der seit 1625 in
Familienbesitz ist. «Unsere Arbeit muss gerecht bezahlt werden. Ich
bin mit Leib und Seele Landwirt, aber es reicht hinten und vorne
nicht.»