Ende der Datenschutz-Schonfrist - Unternehmen proben den Spagat Von Renate Grimming, dpa
29.01.2016 15:15
Die USA galten für den Datentransfer mit europäischen Unternehmen als
«sicherer Hafen» - bis der EugH das Abkommen kippte. Eine Schonfrist
läuft an diesem Wochende aus. Viele Unternehmen schlittern nun in
eine rechtliche Grauzone - denn eine Neuregelung ist nicht in Sicht.
Berlin (dpa) - Die Uhr tickt. Bereits am Montag könnten zahlreiche
Unternehmen aus Sicht von Datenschützern in Deutschland gegen
geltendes Recht verstoßen. Denn am 1. Februar läuft das Memorandum
der EU-Datenschützer aus, das seit dem Fall des Safe-Harbor-Abkommens
im Oktober den Datenaustausch mit den USA übergangsweise auf Basis
der alten Regeln toleriert hat. Trotz entsprechender Planung und
Versprechen ist ein neues verbindliches Regelwerk vorerst nicht in
Sicht. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sieht nun
europaweit tausende Unternehmen von dem nun entstehenden rechtlichen
Vakuum betroffen.
Datenschützer wollen nun Fakten schaffen und Exempel statuieren, wenn
Daten ohne eine gültige rechtliche Grundlage in die USA transferiert
werden. Branchenvertreter sehen dagegen die Handlungsfähigkeit vieler
Unternehmen in Gefahr. «Die europäischen Datenschutzbehörden müssen
nun den Druck auf die Verhandlungen erhöhen und entschlossen gegen
rechtswidrige transatlantische Datentransfers vorgehen», forderte
Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft
am Freitag. Nur auf diese Weise werde sich in den Verhandlungen die
Einsicht durchsetzen, dass Reformen der geheimdienstlichen Befugnisse
unausweichlich seien. Seit der Entscheidung des EuGH sei klar, dass
das vordergründigste Problem in den nahezu unbeschränkten
gesetzlichen Zugriffsbefugnissen der US-Geheimdienste liege.
Auch die europäische Verbraucherorganisation BEUC fordert die
nationalen Datenschützer auf, Verstöße gegen EU-Datenschutzrecht
konsequent zu verfolgen. «Wenn unsere persönlichen Daten aus den EU
herausfließen, dann sollte dies nur entsprechend dem geltenden
EU-Recht garantierten Schutz geschehen», sagte Monique Goyens,
Generaldirektorin des BEUC. Unabhängig davon, ob es ab der kommenden
Woche eine neue Regelung geben werde, müssten die europäischen
Datenschutzbehörde sicherstellen, dass Unternehmen geltendes EU-Recht
befolgten.
Seit dem Jahr 2000 hatte das Safe-Harbor-Abkommen Unternehmen in
Europa ermöglicht, personenbezogene Daten gemäß europäischer
Datenschutzbestimmungen mit den USA auszutauschen. Die USA wurden
dabei als «sicherer Hafen» eingestuft. Überraschend wurde das
Abkommen im Oktober nach einer Klage des Datenschutzaktivisten Max
Schrems vom Europäischen Gerichtshof ohne Übergangsregelung gekippt
und für ungültig erklärt. In den USA seien Datensammlungen von
EU-Bürgern in großem Umfang möglich, ohne dass diese ausreichend
geschützt seien, urteilte das Gericht.
Die eigentlichen Opfer seien nun europaweit rund 4000 Unternehmen,
ist das IW überzeugt. Sie müssten von der kommenden Woche an in einem
rechtlichen «Limbo» operieren. Die europäischen Datenschutzbehörden
müssten sich rasch auf eine gemeinsame Position verständigen. Dabei
sollten zumindest übergangsweise die Standardvertragsklauseln und
verbindliche Unternehmensregelungen als Alternative gelten.
Vor allem Technologie-Unternehmen wie Microsoft, Apple oder Amazon,
aber auch viele international operierende Firmen sind auf einen
Datenaustausch mit den Muttergesellschaften oder Niederlassungen in
den USA essenziell angewiesen. Ob sogenannte Standardvertragsklauseln
oder verbindliche Unternehmensregelungen (BCR), mit denen sich viele
Unternehmen in der Zwischenzeit beholfen haben, tatsächlich über das
Ende des Memorandums hinaus wirksame Alternativen sind, bezweifeln
allerdings die Datenschutzbeauftragten.
Der Digitalverband Bitkom geht deshalb davon aus, dass die
alternativen Regelungen vorerst keine Rechtssicherheit für
Unternehmen gewährleisten. Denn die Auswirkungen des
Safe-Harbor-Urteils auf die Regelwerke stünden derzeit noch auf dem
Prüfstand der EU-Datenschutzbehörden. Aus Sicht des Bitkom seien
beide Regelwerke jedoch eine «wirksame Grundlage, um den Datenschutz
von Bürgern in den USA zu gewährleisten». Dabei sei sichergestellt,
dass EU-Datenschutzbehörden Verträge prüfen und Verstöße ahnden
könnten. Betroffene hätten zudem die Möglichkeit, in Europa vor
Gericht zu ziehen.
Eine Übermittlung personenbezogener Daten in die USA müsse aber in
jedem Fall möglich bleiben, fordert der Bitkom. «Europa darf keine
Dateninsel werden», sagte Susanne Dehmel, beim Bitkom für Datenschutz
und Sicherheit zuständig. «Deutsche Unternehmen sind international
tätig und haben Töchter und Geschäftspartner in aller Welt.»
Betroffen sei nicht nur die Digitalbranche sondern die deutsche
Wirtschaft insgesamt.