«Ich will einfach irgendwo hin, wo ich sicher bin» Von Alexia Angelopoulou, dpa
16.03.2017 09:53
Athen (dpa) - Wenn Adisa über Nigeria spricht, leuchten seine Augen.
«Dort gibt es alles, Nigeria ist der Gigant Afrikas», sagt der
26-Jährige. «Es gibt Öl und andere Rohstoffe, es ist ein großes
Land.» Und immer scheint die Sonne, fügt er hinzu. Eine Jacke, wie er
sie an diesem Tag im verregneten Athen trägt, habe er dort nie
gebraucht.
Obwohl Adisa mit Stolz und Sehnsucht von seiner Heimat berichtet, ist
er im vergangenen Sommer von dort geflohen. Er sei zwischen die
Fronten des Staates und der Biafra-Bewegung geraten, erzählt er. Die
Region Biafra im Süden des Landes wollte bereits 1967 von Nigeria
unabhängig werden, wurde aber nach einem dreijährigen Krieg im Jahr
1970 wieder eingegliedert. Die Unabhängigkeitsbewegung jedoch gibt es
bis heute. Auch Adisa engagierte sich dafür. Bei Auseinandersetzungen
mit Regierungstruppen sei sein Bruder erschossen und er selbst
angeschossen worden, erzählt er; eine Kugel stecke bis heute in
seinem Körper. In der Heimat werde er seither gesucht und sei deshalb
geflüchtet.
Nun sitzt Adisa in einem Café im Athener Stadtteil Ampelokipi - ein
junger Mann in Jeans und Turnschuhen, der seinen wirklichen Namen
nicht nennen will und der sich in seiner Illegalität sichtlich unwohl
fühlt. Die Baseball-Kappe mit dem Aufdruck «Greece» hat er tief ins
Gesicht gezogen, er geht selten auf die Straße, schon gar nicht in
Cafés.
Adisas Ziel ist Deutschland. Dass das legal nicht zu erreichen ist,
weiß er längst. Schließlich wollte man ihn schon in Griechenland
nicht haben. «Sonst wäre ich hiergeblieben», sagt er. Fast sieben
Monate saß er im Flüchtlingslager Vial auf der Ägäis-Insel Chios
fest, nachdem er von der Türkei aus illegal mit einem Schlauchboot
dorthin übergesetzt hatte. Sein erstes Asylgesuch wurde abgelehnt -
so wie die Gesuche von sechs anderen Nigerianern, die er dort
kennengelernt hatte.
Als die anderen auch mit ihrem Einspruch gegen den Beschluss
scheiterten, entschied Adisa, von Chios nach Athen zu fliehen. «Sie
wurden umgehend in die Türkei zurückgebracht. Ich hatte Angst, dass
sie mich auch zurückschicken. Also habe ich mir für 300 Euro falsche
Papiere besorgt und bin mit dem Flugzeug nach Athen geflogen.»
In der griechischen Hauptstadt kam er bei einem Nigerianer unter, den
er am berühmt-berüchtigten Viktoria-Platz im Stadtzentrum
kennengelernt hatte - dort, wo auch Menschenschmuggler ihre Dienste
anbieten. Wie er nach Deutschland kommen könnte, weiß Adisa noch
nicht, aber Möglichkeiten gibt es viele, sagt er. 1000 Euro
verlangten die Schleuser für verschiedene Routen, etwa um Menschen
mit dem Auto über den Balkan zu schmuggeln. Das Geld dafür hat Adisa
von amerikanischen Flüchtlingshelfern erhalten, die er aus seiner
Zeit auf Chios kennt.
Und wohin in Deutschland will er, wenn er dort wirklich ankommt?
Adisa zuckt mit den Schultern. Er kennt Deutschland überhaupt nicht,
er hat dort keine Verwandten oder Bekannten. Aber warum dann dorthin?
Weil es in Deutschland vielleicht klappen könnte mit der Aufnahme. Ob
ihm klar ist, dass nur sehr wenige Nigerianer als Flüchtlinge
anerkannt werden? «Ich muss es versuchen», sagt er, «ich will einfach
nur irgendwohin, wo ich sicher bin.» Sobald sich die Situation in
seine Heimat ändere, wolle er dorthin zurückkehren.