Kleine EU-Republik mit großen Problemen - Zypern wählt Präsidenten Von Takis Tsafos, dpa
04.02.2018 05:50
Der Sieger der Stichwahl um das Präsdidentenamt auf Zypern wird sich
mit einem uralten Problem befassen müssen: Kann der Zypern-Konflikt
gelöst werden? Die Antwort wird seit Jahrzehnten vergeblich gesucht.
Nikosia (dpa) - Komplizierter geht es wohl nicht: Der Sieger der
Stichwahl für das Präsidentenamt auf Zypern wird nicht die ganze
Inselrepublik führen können. Die Mittelmeerinsel ist zwar seit 2004
EU-Mitglied. Das EU-Recht gilt aber nicht im seit 1974 von türkischen
Truppen besetzen Nordteil der Insel. Die Türkische Republik
Nordzypern (KKTC) wird nur von der Türkei anerkannt. Gewählt wird
deswegen nur im griechisch-zyprischen Süden, dessen Regierung
international als legale Vertretung der Republik Zypern anerkannt
ist.
Der vom Volk gewählte Präsident spielt auf Zypern eine wichtige
Rolle. Er bestimmt die Regierung und führt sie auch. Bei der
Stichwahl an diesem Sonntag kommt es zu einem klassischen
Rechts-Links-Duell zwischen dem konservativen Amtsinhaber, dem
Juristen Nikos Anastasiades (51), und dem hauptsächlich von der
kommunistisch geprägten Linkspartei AKEL unterstützten
Genetiker Stavros Malas (50).
In Sachen Lösung der Zypernfrage unterscheiden sich beide Kandidaten
kaum. Ihr zentrales Wahlversprechen war, dass sie neue Gespräche mit
der Führung der türkischen Zyprer zur Überwindung der Teilung
aufnehmen wollen. Dabei handelt es sich um einen Gordischen Knoten,
der bislang nicht zerschlagen werden konnte. Zahlreiche
UN-Vermittlungsbemühungen scheiterten nämlich kläglich, zuletzt im
Juli 2017.
Der Stand der Dinge: Die Türkei signalisierte die Bereitschaft, einen
großen Teil ihrer rund 35 000 Soldaten aus dem Norden der
Insel abzuziehen. Ein türkisches Kontingent solle jedoch für mehrere
Jahre zur Sicherheit der türkischen Zyprer bleiben. Zudem will die
Türkei Garantiemacht für Zypern bleiben. Die griechischen Zyprer
betonen hingegen, Garantiemächte und Besatzungstruppen hätten in
einem EU-Land wie der Republik Zypern nichts zu suchen. Die Gespräche
gerieten in die Sackgasse. Seitdem gibt es keine Verhandlungen mehr.
Umfragen zeigen: Die Stichwahl könnte ein Kopf-an-Kopf-Rennen werden.
Denn der Drittplatzierte bei den ersten Wahlrunde am vergangenen
Sonntag, der Vertreter der politischen Mitte, Nikolas Papadopoulos
(44), hat seinen Wählern keine Empfehlung zugunsten eines der beiden
Kandidaten gegeben.
Anastasiades wirbt damit, er habe es geschafft, dass die Türkei bei
den jüngsten Verhandlungen endlich sagte, was sie will. Nämlich für
immer auf Zypern militärisch präsent zu sein. Nun wisse jeder, wer
für den Fortbestand des Konflikts verantwortlich sei, meint er. Zudem
verbucht Anastasiades einen finanziellen Erfolg: Zypern kam in
Rekordzeit aus einer schweren Finanz- und Bankenkrise im Jahr 2013
heraus. Die Arbeitslosigkeit sank von 16 Prozent im Jahr 2014 auf
10 Prozent Ende 2017. Zyperns Wirtschaft weist eine Wachstumsrate
auf, von der die meisten anderen EU-Staaten träumen: Mehr als vier
Prozent im vergangenen Jahr.
Der von der kommunistischen Partei (AKEL) unterstützte Kandidat Malas
wirft Anastasiades vor, bei den Zypern-Verhandlungen nicht den Mut
gehabt zu haben, einer Lösung zuzustimmen, die den Realitäten auf
Zypern entspreche. Ergebnis: Der Norden Zyperns werde zusehends «eine
türkische Provinz» und die eigentlich laizistischen und liberalen
türkischen Zyprer würden «islamisiert». Gleichzeitig wirft er
Anastasiades vor, den Gürtel für die Zyprer zu eng geschnallt zu
haben. Zahlreiche Menschen leben nach seinen Worten unter der
Armutsgrenze. Malas will den Sozialstaat ausbauen, Renten und
Gehälter erhöhen.
Malas und Anastasiades hatten sich auch bei der vorangegangenen
Präsidentenwahl im Februar 2013 einen Zweikampf geliefert. Damals
gewann Anastasiades mit 57,5 Prozent. Malas dagegen bekam nur 42,5
Prozent.
Klarheit über den Gewinner wird es am Sonntagabend rasch geben. Da
nur gut 550 000 Bürgerinnen und Bürger wahlberechtigt sind, wird mit
aussagekräftigen Ergebnissen spätestens zwei Stunden nach Schließung
der Wahllokale gegen 19.00 Uhr (MEZ) gerechnet.