Autonomer Zugang und Klimaschutz: Rückendeckung für Europas Allpläne
17.02.2022 00:25
Die Weltraumagentur Esa will Europas Rolle in der Raumfahrt stärken.
Auch die Politik stellt sich hinter Pläne für mehr Unabhängigkeit.
Ein zentrales Thema wird nun von Fachleuten besprochen, die mit dem
All nicht unbedingt etwas am Hut haben.
Toulouse (dpa) - Die Diskussion um einen autonomen Zugang Europas zum
All nimmt Fahrt auf. Eine unabhängige Fachgruppe soll sich künftig
mit der bemannten Weltraumforschung für Europa befassen und der
Europäischen Weltraumagentur Esa und ihren Mitgliedsländern im Herbst
Bericht erstatten. Esa-Generaldirektor Josef Aschbacher freute sich
über das Mandat zur Schaffung der Gruppe beim Weltraumgipfel im
südfranzösischen Toulouse am Mittwoch. «Diese Entscheidung wird
prägen, wie Europa im kommenden Jahrzehnt aussehen wird.»
Im Gegensatz zu anderen Größen in der Raumfahrt hat Europa keinen
autonomen Zugang zum Kosmos, kann also selbst keine Astronautinnen
und Astronauten ins All schicken. Zwar gibt es in Kourou in
Französisch-Guyana einen europäischen Weltraumbahnhof, doch fehlt es
an einem europäischen Raumschiff für bemannte Flüge.
Die Esa-Astronauten fliegen derzeit bei der US-Weltraumagentur Nasa
mit. In den vergangenen Jahren haben mit der Kommerzialisierung der
Raumfahrt auch private Anbieter den Weg in den Kosmos möglich
gemacht. Europa blieb dabei zurück. Aschbacher zufolge könne Europa
es sich aber nicht leisten, keinen autonomen Zugang zum All zu haben.
Ob es diesen letztlich geben wird, ist aber noch offen. Die Fachleute
sollen nun beraten und dabei helfen, «die richtige Entscheidung zu
treffen», wie Aschbacher sagte. Die Gruppe solle aus Experten aus
allen Lebensbereichen bestehen, die meisten davon nicht aus der
Raumfahrt. Auch etwa die Gebiete Kunst und Philosophie sollen in dem
unabhängigen Gremium vertreten sein.
Die Unabhängigkeit Europas spielte auch bei weiteren strategischen
Fragen in Toulouse eine entscheidende Rolle. Frankreichs
Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, der den Sitzungen des
Esa-Ministerrats und des informellen Treffens der EU-Minister in
Toulouse vorsaß, betonte die Bedeutung eines autonomen europäischen
Netzes zum Internetempfang. Man wolle nicht von den USA oder China
in diesem Bereich abhängig sein. Frankreichs Staatschef Emmanuel
Macron nannte das All den «Schlüssel all unserer Unabhängigkeiten».
Der Weltraum sei daher eine europäische Priorität.
Macron sagte auch, das All könne ein entscheidender Faktor sein, um
CO2-Emissionen zu verringern. Ein Esa-Projekt zur gezielteren Nutzung
von Erdbeobachtungsdaten zur Eindämmung des Klimawandels fand bei den
Ministern Unterstützung. Langfristig soll das Vorhaben auch helfen,
die Wirtschaft kohlenstoffärmer zu gestalten.
Die für Raumfahrt zuständigen Minister der Europäischen Union und d
ie
Esa berieten auch über den Schutz von Infrastruktur im All und die
Kontrolle von Weltraumschrott. Le Maire sagte: «Das All ist weder
ein Wilder Westen noch ein Mülleimer.»
Der Gipfel in Toulouse vereinte eine Tagung des Esa-Ministerrats und
eine informelle Sitzung der zuständigen Minister der Europäischen
Union. Macron betonte dabei die Notwendigkeit, eine gemeinsame
europäische Weltraumstrategie zu schaffen. Le Maire zufolge, wurde
die europäische Ambition im All in Toulouse bestätigt. Auch die Esa
schrieb von Entschlüssen, die Europa zu einer führenden Rolle in der
Raumfahrt helfen sollen. Ein neuer Weltraumgipfel wird für 2023
anvisiert.