Timmermans: Klimapolitik zurückstellen wäre historischer Fehler
07.03.2022 20:50
Straßburg (dpa) - Die schwere Konfrontation der EU mit Russland darf
nach Ansicht des EU-Kommissionsvizepräsidenten Frans Timmermans nicht
zu Kompromissen bei der EU-Klimapolitik führen. «Ich denke es wäre
ein historischer Fehler, aus dieser Sicherheitsherausforderung zu
schlussfolgern, dass der Grüne Deal und Fit for 55 jetzt
zurückgestellt werden können», sagte Timmermans mit Blick auf die
EU-Klimaschutzpakete bei einer Anhörung des Umweltausschusses im
Europäischen Parlament am Montag. Man müsse den Übergang zu
erneuerbaren Energien beschleunigen, damit die EU ihre eigene Energie
herstellen und nicht mehr als Kunde Russlands unter Druck gesetzt
werden könne. Rund 40 Prozent der EU-Gasimporte kommen nach Angaben
der Kommission aus Russland.
Man müsse mehr im Bereich Windkraft, Solarenergie, Wasserstoff und
Biomethan machen, sagte Timmermans. Solange die EU noch fossile
Brennstoffe benötige, müsse man vorerst auch die Energieressourcen
diversifizieren, etwa durch Verträge mit Drittstaaten über fossile
Energien. Konkrete Vorschläge werde die EU-Kommission in ihrem
Maßnahmenpaket am Dienstag machen, so Timmermans.
Er zeigte sich auch offen dafür, dass EU-Länder kurzfristig
Kohlekraftwerke länger nutzen könnten, wenn sie dafür mittelfristig
schneller auf erneuerbare Energien umstiegen. Angesichts der Lage
gebe es keine Tabus, so Timmermans. Das gelte allerdings nur, solange
Staaten trotzdem ihre Emissionen wie geplant bis 2030 um 55 Prozent
verringerten und das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichten.
Das bedeutet, dass kein Kohlendioxid (CO2) mehr in die Atmosphäre
ausgestoßen wird, das nicht gebunden werden kann.
Auch im Bereich Landwirtschaft warnte Timmermans davor, angesichts
des Krieges in der Ukraine auf klimafreundliche Anbauweisen zu
verzichten. «Bitte glaubt nicht an die Illusion, dass ihr der
Nahrungsmittelproduktion helft, indem ihr sie weniger nachhaltig
gestaltet», sagte Timmermans. Man müsse die Abhängigkeit von
Pestiziden und Düngemitteln wie Kali, das aus Russland und Belarus
importiert werde, reduzieren. Agrarverbände haben vor einer
Verknappung des Getreides auf den Weltmärkten gewarnt, da die Ukraine
und Russland wichtige Getreidelieferanten sind.