Kinderschutzbund gegen anlasslose Scans verschlüsselter Nachrichten
08.05.2022 04:30
Brüssel (dpa) - Im Kampf gegen Darstellungen sexuellen Missbrauchs
von Kindern hält der Kinderschutzbund einen unbegründeten Eingriff in
verschlüsselte Kommunikation nicht für nötig. «Verschlüsselte
Kommunikation spielt bei der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen
kaum eine Rolle», sagte Joachim Türk aus dem Bundesvorstand des
Kinderschutzbunds der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. «Wir
halten deshalb anlasslose Scans von verschlüsselter Kommunikation für
unverhältnismäßig und nicht zielführend.» Der Großteil der
Darstellungen werde über Plattformen und Foren geteilt. Anlasslose
Scans in diesem Bereich seien deshalb richtig.
Die EU-Kommission will voraussichtlich Mitte der Woche einen
Gesetzesvorschlag im Kampf gegen Missbrauchsdarstellungen vorlegen,
über den die EU-Staaten und das Europaparlament dann verhandeln
müssen. Bürgerrechtler fürchten einen weitreichenden Eingriff in die
private Kommunikation der Menschen.
Dass die EU-Kommission Missbrauchsdarstellungen im Netz einen Riegel
vorschieben wolle, begrüßte Türk grundsätzlich. «An keinem Ort in
der
analogen Welt dulden wir den Tausch und Handel derartigen Materials.
Im Netz aber schienen die Strafverfolgungsbehörden und auch der
Gesetzgeber sich lange geschlagen geben zu wollen.»
Schon mit den jetzigen Befugnissen kämen die Behörden an ihre
Grenzen, gemeldetes Material zu sichten, zu bewerten und die Täter zu
verfolgen. Hinzu komme, dass auch Fotos und Videos, die Kinder und
Jugendliche selbst untereinander austauschen - sogenanntes Sexting -,
einen immer größeren Anteil der gemeldeten Fälle ausmachten. Diese
seien jedoch nicht das eigentliche Ziel der Ermittler.
«Wir brauchen deshalb vor allem den Ausbau der personellen und
technischen Ressourcen bei den Strafverfolgungsbehörden, mehr
sichtbare Präsenz von Polizei im Netz, mehr staatliche Meldestellen
sowie die Entkriminalisierung von der Verbreitung selbstgenerierten
Materials unter Jugendlichen», fordert Türk.