Bundesregierung hat weiterhin Bedenken gegen Asyl-Krisenverordnung
27.07.2023 16:07
Eigentlich wollte die spanische EU-Ratspräsidentschaft die
Verhandlungen zum Umgang mit Asylkrisen bis zum Monatsende
abschließen. Bisher gibt es aber keine Einigkeit. Was das für die
geplante Reform des Asylsystems insgesamt bedeutet, ist noch offen.
Berlin (dpa) - Die Bundesregierung hat sich bei den Verhandlungen
über eine EU-Verordnung zum Umgang mit Asylkrisen enthalten, weil sie
mit abgesenkten Standards für die Aufnahme von Schutzsuchenden nicht
einverstanden ist. «Die Bundesregierung brachte sich in die
Verhandlungen des Verordnungsvorschlags ein, um insoweit auf
Verbesserungen der Standards für Schutzsuchende sowie auf ein für die
Mitgliedstaaten einheitliches und handhabbares Verfahren in
Krisensituationen hinzuwirken», teilte ein Sprecher des
Bundesinnenministeriums am Donnerstag auf Anfrage mit. Die
Bundesregierung habe dem Entwurf in der jetzigen Fassung letztlich
nicht zustimmen können und sich daher enthalten.
Die sogenannte Krisenverordnung ist Teil der geplanten Reform des
Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Die Gespräche über einen
Entwurf für die Verordnung sind vorerst gescheitert - unter anderem
wegen der Bedenken der Bundesregierung. Die Ständigen Vertreter der
EU-Länder hatten sich am Mittwoch in Brüssel nicht auf eine
gemeinsame Position für Verhandlungen mit dem Europaparlament einigen
können. Die spanische Ratspräsidentschaft wollte dazu eigentlich bis
Ende Juli eine Einigung herbeiführen. Diplomaten zufolge enthielten
sich neben Deutschland auch die Niederlande und die Slowakei. Polen,
Ungarn, Tschechien und Österreich stimmten gegen den Vorschlag.
Der Vorschlag für die neue Verordnung sieht längere Fristen für die
Registrierung von Asylgesuchen an den Außengrenzen vor, außerdem die
Möglichkeit der Absenkung von Standards bei Unterbringung und
Versorgung. Schutzsuchende sollten in Krisensituationen verpflichtet
werden können, sich länger als zwölf Wochen in Aufnahmeeinrichtungen
in Grenznähe aufzuhalten. Ländern wie Polen und Ungarn gehen die
vorgeschlagenen Ausnahmevorschriften nicht weit genug. «Das weitere
Vorgehen der spanischen Ratspräsidentschaft nach der ablehnenden
Entscheidung vom 26. Juli 2023 bleibt zunächst abzuwarten», hieß es
aus dem Bundesinnenministerium.
Der Verordnungsvorschlag enthalte neben Sonderregeln im Falle eines
hohen Zugangsgeschehens oder höherer Gewalt auch Regelungen für
Situationen der Instrumentalisierung von Schutzsuchenden durch
Drittstaaten oder nicht-staatliche Akteure, sagte der Sprecher. Ein
Grund für die Überlegungen zu der Verordnung war die von Belarus
orchestrierte irreguläre Migration, die 2021 begonnen hatte.
«Der Ampel-Streit in der Migrationsfrage verhindert den dringend
benötigten klaren Kurs auf EU-Ebene», kritisierte Hessens
Innenminister Peter Beuth. Der CDU-Politiker, der auch Sprecher der
unionsgeführten Innenministerien ist, sagte: «Damit wird die Chance
auf eine zeitnahe Einigung der neuen EU-Asylreform vereitelt und den
Kommunen weiter die Perspektive auf Besserung genommen.»
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) müsse «jetzt endlich
Einigkeit innerhalb der Ampel-Koalition beim Thema irreguläre
Migration herbeiführen».
Die Krisenverordnung soll Teil eines Reformpakets für das
EU-Asylsystem werden. Andere Teile waren im Juni per
Mehrheitsentscheidung bei einem Innenministertreffen auf den Weg
gebracht worden. Neben einer Pflicht zur Solidarität in
Notsituationen sehen sie Ergänzungen und Verschärfungen der aktuellen
Regeln vor, um illegale Migration zu begrenzen. So sollen Asylanträge
von Migranten aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von
weniger als 20 Prozent bereits an den EU-Außengrenzen innerhalb von
zwölf Wochen geprüft werden. In dieser Zeit will man die
Schutzsuchenden verpflichten, in streng kontrollierten
Aufnahmeeinrichtungen zu bleiben. Wer keine Chance auf Asyl hat, soll
umgehend zurückgeschickt werden. Nun verhandeln das Europaparlament
und die EU-Staaten über die Pläne.