Vorbereitung für die EU27+X: Berlin und Paris werben für Reformen

19.09.2023 18:06

Länder wie die Ukraine und Moldau streben energisch in die
Europäische Union. Berlin und Paris wollen nun die Voraussetzungen
für eine mögliche Erweiterung schaffen.

Brüssel (dpa) - Deutschland und Frankreich werben gemeinsam für
EU-Reformen, die Basis für eine Aufnahme von Beitrittskandidaten wie
die Ukraine sein sollen. Zu einem Ministertreffen an diesem Dienstag
in Brüssel präsentierten Regierungsvertreterinnen Vorschläge eines
unabhängigen Expertenteams. Dieses empfiehlt, das in manchen
Politikbereichen übliche Einstimmigkeitsprinzip aufzuweichen, um die
Blockade von Beschlüssen durch Vetos unwahrscheinlicher zu machen.

Zudem halten es die Fachleute zum Beispiel für sinnvoll, neue
Einnahmequellen für den EU-Haushalt zu erschließen und die
Möglichkeit von Mittelkürzungen bei Verstößen gegen EU-Standards
auszuweiten. Als Zieldatum für die Umsetzung von Reformen nennen die
zwölf Expertinnen und Experten das Jahr 2030. Bis dahin sollte die EU
demnach bereit für die Aufnahme neuer Staaten sein.

«Die EU-Erweiterung liegt in unser aller Interesse. Und daher müssen
wir jetzt anfangen, alles dafür zu tun, dass wir auch bereit sind als
EU für diese Erweiterung», sagte die deutsche Europa-Staatsministerin
Anna Lührmann (Grüne) in Brüssel zur Vorstellung des Berichts. Die
notwendigen internen Reformen müssten in der nächsten
Legislaturperiode des Europäischen Parlaments - also von 2024 bis
2029 - umgesetzt werden. Über den Bericht des Expertengremiums werde
man nun in den aktuellen 27 EU-Mitgliedsländern als auch in den
Beitrittsländern diskutieren.

Um die EU auf die Aufnahme neuer Mitglieder vorzubereiten, hatte
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits in der
vergangenen Woche ein neues Analyseprojekt angekündigt. Bei ihm soll
geprüft werden, wie einzelnen EU-Politikbereiche möglicherweise an
eine größere Union angepasst werden müssen. Mit Blick auf eine
mögliche Aufnahme der Ukraine gilt dabei vor allem die Agrarpolitik
als kritisch, da das kriegsgeplagte Land vergleichsweise groß ist und
vermutlich auf nicht absehbare Zeit Zuschüsse erhalten müsste.

Welche Länder die Bundesregierung für besonders aussichtsreiche
Kandidaten für einen Beitritt hält, sagte Lührmann am Dienstag
nicht. Beitrittsverhandlungen führte die EU zuletzt mit den
Balkanstaaten Montenegro, Albanien, Serbien, Bosnien-Herzegowina und
Nordmazedonien. Zudem sind neben der Ukraine auch noch das Kosovo
sowie Moldau, Georgien und die Türkei Bewerberländer. Mit der Türkei

gab es bereits lange Beitrittsverhandlungen, sie liegen allerdings
seit Jahren wegen rechtsstaatlicher Defizite auf Eis.

Fortgeführt werden sollen die Diskussionen über die EU-Erweiterung
und Reformen unter anderem bei einem informellen EU-Gipfel Anfang
Oktober im spanischen Granada. Mit einer schnellen Einigung auf
Reformvorschläge wird allerdings nicht gerechnet. «Die Positionen der
Mitgliedstaaten liegen noch immer weit auseinander», sagte der
derzeitige Vorsitzende des Europaministerrates, der spanische
EU-Staatssekretär Pascual Ignacio Navarro Ríos, am
Dienstagnachmittag nach den Beratungen. Man müsse aber nun damit
beginnen, die wirklich wichtigen Themen zu identifizieren und die
unterschiedlichen Positionen herauszuarbeiten.