Zulassung von Unkrautvernichter Glyphosat in EU wird verlängert Von Marek Majewsky, dpa
16.11.2023 12:27
Die derzeitige Zulassung wäre Mitte Dezember ausgelaufen. Unter den
EU-Staaten gibt es bei der Entscheidung über den Fortgang dann weder
für die weitere Zulassung noch dagegen eine ausreichende Mehrheit.
Daraufhin entscheidet die EU-Kommission im Alleingang.
Brüssel (dpa) - Der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat wird in
der EU weitere zehn Jahre zugelassen. Die Entscheidung traf
die EU-Kommission am Donnerstag. Vorher hatten sich die EU-Staaten in
einer Ausschusssitzung mit der Zulassung beschäftigt, es gab aber
weder eine ausreichende Mehrheit für die weitere Zulassung noch
dagegen. Daraufhin konnte die Kommission im Alleingang entscheiden.
Die derzeitige Zulassung wäre Mitte Dezember ausgelaufen.
Damit Risiken für Menschen, Tiere und Umwelt möglichst gering
gehalten werden, soll es laut EU-Kommission Einschränkungen geben,
wie das Mittel eingesetzt werden darf. Dazu gehören laut der Behörde
unter anderem Maßnahmen zum Schutz von Tieren und Pflanzen, die nicht
das eigentliche Ziel des Glyphosat-Einsatzes sind. Es soll auch
verboten werden, Glyphosat als Trockenmittel vor der Ernte
einzusetzen. Die EU-Staaten müssen zudem bei Risikoanalysen besonders
auf den Schutz von Tieren wie Wühlmäusen oder Wildblumen achten. Die
Kommission betonte zugleich, dass die EU-Staaten Glyphosat weiterhin
auf nationaler und regionaler Ebene einschränken könnten.
Der Glyphosat-Hersteller Bayer begrüßte die Entscheidung. «Diese
erneute Genehmigung ermöglicht es uns, Landwirten in der gesamten
Europäischen Union weiterhin eine wichtige Technologie für die
integrierte Unkrautbekämpfung zur Verfügung stellen zu können»,
teilte der Leverkusener Konzern mit.
Streit gibt es unter anderem darüber, ob Glyphosat krebserregend sein
könnte. Zudem stehen Gefahren für die Umwelt im Raum. Eine aufwendige
Untersuchung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
(Efsa) hatte jüngst keine inakzeptablen Gefahren gesehen, aber auf
Datenlücken in mehreren Bereichen hingewiesen.
Zu den Aspekten, die nicht abschließend geklärt wurden, gehören laut
Efsa ernährungsbedingte Risiken für Verbraucher und die Bewertung der
Risiken für Wasserpflanzen. Auch mit Blick auf den Artenschutz ließen
die verfügbaren Informationen keine eindeutigen Schlussfolgerungen
zu.
Glyphosat wird auch als Totalherbizid bezeichnet, es lässt Pflanzen
absterben. Wo Glyphosat versprüht wird, wächst kein Gras, Strauch
oder Moos mehr. Das Mittel wird vor allem in der Landwirtschaft
eingesetzt, um ein Feld frei von Unkraut zu halten, bevor
Nutzpflanzen ausgesät werden.
Umweltverbände und Grüne sehen das Mittel kritisch. «Der Schutz der
Gesundheit von Millionen Europäerinnen und Europäern muss vor den
Konzerninteressen Bayers stehen», teilte die Europaabgeordnete Jutta
Paulus (Grüne) mit. Christine Vogt vom Umweltinstitut München sagte,
der Kommission fehle eindeutig das politische Mandat, das Pestizid
weiterhin zuzulassen. Die Umweltschutzorganisation WWF betonte,
entscheidend sei, wie die angekündigten Einschränkungen ausfallen und
welchen Spielraum sie den Mitgliedsländern ließen.
Nicht nur unter den EU-Staaten, auch innerhalb der Bundesregierung
gibt es unterschiedliche Ansichten zu Glyphosat. Eigentlich ist im
Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien festgehalten: «Wir nehmen
Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt.» Agrarminister Cem Özdemir (Grüne)
sieht eine weitere Nutzung des Stoffs zwar kritisch, aus der FDP gibt
es aber Stimmen, die sich für Glyphosat aussprechen. So sagte die
FDP-Fraktionsvize Carina Konrad, Özdemir sei nun gefragt, die
zehnjährige Verlängerung von Glyphosat in Deutschland umzusetzen. Der
Vorsitzende des Agrarausschusses im EU-Parlament, Norbert Lins (CDU),
nannte es einen wichtigen Schritt für die europäische Landwirtschaft,
dass Glyphosat auch in Zukunft eingesetzt werden darf.
Dass sich Deutschland bei der Abstimmung im Berufungsausschuss wegen
unterschiedlicher Ansichten enthalten hat, sorgt auch für Kritik.
«Die Grünen sind erneut von der blockierenden FDP eingeknickt, und
die SPD hat tatenlos dabei zugeschaut», sagte Geschäftsführer Chris
Methmann von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Das Versprechen
aus dem Koalitionsvertrag nicht einzuhalten und dann nicht gegen
die Verlängerung zu stimmen, sei scheinheilig und eine Täuschung der
Wählerinnen und Wähler.