Nach hitziger Nahost-Debatte: Linke setzt Parteitag fort

18.11.2023 05:00

Eigentlich steht Europa im Mittelpunkt des dreitägigen Treffens der
Linken in Augsburg. Doch vorher hatten die Delegierten einen sehr
heiklen Punkt zu klären.

Augsburg (dpa) - Die Linke will bei ihrem Bundesparteitag in Augsburg
an diesem Samstag mit der Aufstellung ihrer Kandidatinnen und
Kandidaten zur Europawahl im Juni beginnen. Als Spitzenduo wollen
Parteichef Martin Schirdewan und die parteilose Aktivistin Carola
Rackete antreten. Am späten Freitagabend hatten die Delegierten
hitzig über die Position der Linken zum Hamas-Angriff auf Israel und
zum Gaza-Krieg gestritten. Doch fand ein Kompromissantrag letztlich
eine breite Mehrheit.

Dieser fordert einen sofortigen Waffenstillstand und die sofortige
Freilassung der von Hamas verschleppten israelischen Geiseln. Das
Papier betont das Existenzrecht Israels und das Ziel einer
Zwei-Staaten-Lösung, kritisiert aber die «exzessive Bombardierung»
des Gazastreifens durch Israel mit vielen zivilen Opfern. «Israel hat
das Recht sich zu verteidigen», heißt es in dem Papier. «Doch die
Verbrechen der Hamas entbinden Israel nicht seiner völkerrechtlichen
Verantwortung.» Antisemitismus in Deutschland wird verurteilt, jedoch
auch vor antimuslimischen Ressentiments gewarnt.

«Akt eliminatorischer Enthemmung»

Der vorab ausgehandelte Kompromissantrag war der Parteispitze
wichtig, um die Linke in der Frage nicht als zerstritten dastehen zu
lassen. In der Debatte wurde jedoch deutlich, dass einige Linke
extremere Positionen vertreten. So warf der Delegierte Nick Papak
Amoozegar Israel einen «Genozid», die «gezielte Vernichtung eines
Volks» und «ethnische Säuberungen» vor. Aus den Reihen der
Delegierten gab es Protestrufe.

Der frühere Berliner Kultursenator Klaus Lederer beklagte, dass
einige Linke die tiefe Zäsur des Terrorangriffs der Hamas auf Israel
am 7. Oktober nicht verstanden hätten. Es handele sich um einen «Akt
eliminatorischer Enthemmung» und um eine neue Kategorie, sagte
Lederer.

Antrag kritisiert Wagenknecht und Co

Die zweite Etappe des Parteitags beginnt am Samstagmorgen mit Reden
von Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch und Linken-Chefin Janine
Wissler. Auch der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow wird
erwartet. Zudem steht ein Antrag zur Debatte, die Abgeordnete Sahra
Wagenknecht und neun weitere ehemalige Linke im Bundestag zur Abgabe
ihrer Mandate zu bewegen.

Wagenknecht und ihrer Unterstützerinnen und Unterstützer waren am 23.
Oktober aus der Linken ausgetreten, um eine Konkurrenzpartei zu
gründen. Wegen der Spaltung löst sich auch die Bundestagsfraktion zum
6. Dezember auf. In einem Antrag an den Parteitag heißt es, die
Vorgänge hätten die Linke schwer beschädigt. «Unsere Partei ist in

einer kritischen Phase. Verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen und zu
alter Stärke zurückzukehren, wird ein längerer Weg sein.» Mehr als

700 Neueintritte seit dem 23. Oktober seien aber ein ermutigendes
Signal.

Zur Eröffnung des Parteitags hatten bereits die beiden Vorsitzenden
Janine Wissler und Martin Schirdewan der Partei Mut gemacht. Die
Trennung von Wagenknecht erlaube einen Neubeginn. «Die Linke ist
wieder da», sagten beide. In der anschließenden Generaldebatte gab es
kaum Widerspruch oder Kritik an den Vorsitzenden. Viele Delegierte
unterstützten ausdrücklich die Linie für einen strikten Klimaschutz
und gegen Beschränkungen des Asylrechts.