Für die Linke nach Europa: Parteitag schließt Kandidatenkür ab

19.11.2023 04:30

Drei Tage beriet sich die von Krisen und Streit gebeutelte Partei in
Augsburg. Zum Abschluss des Parteitags geht es noch einmal um die
Vorbereitungen zur Europawahl 2024. Und die Hoffnung, wieder Tritt zu
fassen.

Augsburg (dpa) - Die Linke schließt an diesem Sonntag ihren
dreitägigen Parteitag in Augsburg ab. Dabei soll die Liste der
Kandidatinnen und Kandidaten für die Europawahl im Juni komplettiert
werden. An der Spitze stehen Parteichef Martin Schirdewan und die
Flüchtlings- und Klimaaktivistin Carola Rackete. Sie treten im Team
mit der Gewerkschafterin Özlem Demirel und dem Mainzer «Arzt der
Armen» Gerhard Trabert für das Europaparlament an. Alle vier bekamen
am Samstagabend breite Mehrheiten.

Die Linke versucht, nach dem Bruch mit der früheren Fraktionschefin
Sahra Wagenknecht wieder Tritt zu fassen. Die Partei hatte zuletzt
sehr schwache Wahl- und Umfrageergebnisse. Nun droht ihr neue
Konkurrenz durch die von Wagenknecht geplante Konkurrenzpartei. Beim
Parteitag versuchten die Vorsitzenden Schirdewan und Janine Wissler
aber, Zuversicht für einen Neustart zu stiften. Bei wichtigen
Sachfragen erhielten sie Rückdeckung der mehr als 400 Delegierten.

So wurde das Europa-Wahlprogramm fast ohne Streit beschlossen. Dabei
setzt die Linke auf ihre klassischen Themen: mehr öffentliche
Ausgaben und weniger Auflagen durch europäische Schuldenregeln, mehr
Steuern auf hohe Einkommen und Konzerngewinne, strikter Klimaschutz,
eine möglichst wenig eingeschränkte Asylpolitik, eine Stärkung des
Europäischen Parlaments im politischen EU-Gefüge.

Das Programm sieht Reformbedarf der EU und spricht von «Wut vieler
Menschen», stellt die Gemeinschaft aber nicht grundsätzlich in Frage.
Konkret stellte die Linke eine neue Forderung auf: Sie plädiert nun
für 15 Euro Mindestlohn in Deutschland. Bisher war sie für 14 Euro.
Derzeit liegt der Mindestlohn bei 12 Euro.

Die Wahl zum Europaparlament ist in Deutschland am 9. Juni 2024
angesetzt. 2019 erreichte die Linke 5,5 Prozent der Stimmen und fünf
Mandate. In diesem Jahr will sie 20 Kandidatinnen und Kandidaten
aufstellen. Schirdewan, Rackete, Demirel und Trabert waren von der
Parteispitze vorgeschlagen worden und bekamen dann auch breite
Rückendeckung der Delegierten. Das beste Ergebnis holte mit 96,8
Prozent Trabert, der sich seit Jahrzehnten als Arzt um Obdachlose und
Flüchtlinge kümmert. Wie Rackete ist Trabert nicht Parteimitglied.

Auf Platz fünf wurde am späten Samstagabend Journalistin Ines
Schwerdtner gewählt, auf Platz sechs der brandenburgische Linke
Martin Günther. Die übrigen Plätze werden am Sonntag vergeben.