EU-Einigung auf bessere Rechte für Arbeiter von Online-Diensten
08.02.2024 16:26
Sie liefern Lebensmittel und Pakete oder fahren Menschen durch die
Stadt: sogenannte Plattformarbeiter. Ein neues EU-Gesetz könnte
Millionen betreffen und mehr Klarheit über ihre Rechte bringen.
Straßburg (dpa) - Wer über eine Online-Plattform etwa als Taxifahrer,
Hausangestellter oder Essenslieferant arbeitet, soll in der EU
künftig mehr Rechte bekommen. Unterhändler des Europaparlaments und
der EU-Staaten einigten sich am Donnerstag darauf, dass Betroffene
besser gegen Scheinselbstständigkeit geschützt werden sollen, wie das
EU-Parlament mitteilte. Auch die belgische EU-Ratspräsidentschaft
bestätigte einen Deal.
Wenn Indizien etwa auf eine Kontrolle der Mitarbeitenden vorliegen,
wird den neuen Regeln zufolge angenommen, dass die Arbeitnehmer
Beschäftigte und keine Selbstständigen sind. Die Beweispflicht liege
bei den Plattformen - sie müssten beweisen, dass kein
Beschäftigungsverhältnis besteht, so das Parlament. Nach Angaben der
EU-Staaten können Beschäftigte etwa besseren Zugang zu Bezahlung bei
Krankheit, Leistungen bei Arbeitslosigkeit oder
Einkommensunterstützung erhalten.
Bis zu 40 Millionen arbeiten als Plattformarbeiter in Europa
«Mit dem heutigen Kompromiss senden wir ein klares Signal an Uber und
Co.: Faire Arbeitsbedingungen und Datenschutz gelten für alle»,
teilte der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke mit.
Scheinselbstständigkeit und Wettbewerbsverzerrung werde damit den
Kampf angesagt. Nach Angaben der Chefverhandlerin des EU-Parlaments,
Elisabetta Gualmini, arbeiten bis zu 40 Millionen Menschen in Europa
als sogenannte Plattformarbeiter.
Bereits im Dezember hatten sich die EU-Unterhändler auf die neuen
Regeln verständigt. Kurz vor Weihnachten musste die damalige
spanische EU-Ratspräsidentschaft aber mitteilen, dass der Deal
geplatzt war. Im Januar hatte Belgien die regelmäßig wechselnde
Präsidentschaft übernommen und nun erneut eine Einigung ausgehandelt.
Diese muss aber noch offiziell grünes Licht vom Europaparlament und
den EU-Staaten bekommen - an diesem Schritt war das Vorhaben im
Dezember gescheitert.
Der damaligen Einigung zufolge sollten Plattformarbeiter als
Beschäftigte eingestuft werden, wenn zwei von fünf Aspekten erfüllt
sind. Dazu zählten Angaben der EU-Staaten zufolge etwa, wenn es
Gehaltsobergrenzen gibt, die Leistung der Arbeitnehmer überwacht wird
oder es Beschränkungen bei der Wahl der Arbeitszeiten beziehungsweise
Vorschriften für das Erscheinungsbild der Arbeiterinnen und Arbeiter
gibt. In Mitteilungen nach der nun gefundenen Einigung ist dieser
Aspekt nicht mehr enthalten.
Mehrheit für Einigung ungewiss - deutsche Zustimmung steht noch aus
Ob die neue Einigung unter den EU-Staaten eine Mehrheit findet, ist
unklar. Nach Angaben von Radtke liege es am französischen Präsident
Emmanuel Macron, ob eine Mehrheit zustande kommt. Aber auch
Deutschland stimmt dem Vorhaben derzeit nicht zu. «Die Gespräche in
der Bundesregierung zum Richtlinien-Entwurf dauern an», heißt es aus
dem Bundesarbeitsministerium. Es setzte sich aber für ein
ambitioniertes EU-Gesetz für faire Arbeitsbedingungen ein. Radkte
findet es «beschämend», dass sich Berlin bislang nicht auf eine
Position einigen konnte. Eine Abstimmung unter den EU-Staaten ist
kommende Woche vorgesehen.
Zu höheren Preisen bei den Kundinnen und Kunden soll die neue
Richtlinie zumindest bei Essenslieferant Lieferando nicht führen. Das
Unternehmen stelle bereits alle seine Fahrerinnen und Fahrer regulär
an, «mit allen entsprechenden Bezügen und Rechten für die
Beschäftigten», teilte Lieferando auf Anfrage mit. «Dementsprechend
halten wir die Richtlinie für kostenneutral umsetzbar, zugunsten
besserer Branchenstandards.» Das Unternehmen ruft die Bundesregierung
daher zur Unterstützung der Richtlinie auf.
Der Fahrdienstleister Uber teilte mit, da noch kein abschließender
Rechtstext vorliege, könne noch keine offizielle Stellungnahme
abgegeben werden. Die Firma verwies auf ein Statement des
europäischen Industrieverbandes Move EU. Der Verband bezeichnete die
vorläufige Einigung demnach als Ergebnis «eines überstürzten
Prozesses, bei dem es darum ging, einer Richtlinie um jeden Preis
zuzustimmen, obwohl sie von vielen Mitgliedstaaten nicht unterstützt
wurde.» Die Richtlinie gehe nicht auf die Bedürfnisse von Fahrern,
Plattformen und Fahrgästen ein. Der Verband fordere die EU-Staaten
auf, die erzielte Einigung kritisch zu hinterfragen und abzulehnen.