EU will Verbraucher besser vor schwankenden Strompreisen schützen Von Katharina Redanz, dpa

14.12.2023 13:16

Stark schwankende Strompreise wie 2022 soll es künftig für
Verbraucher in Europa nicht mehr geben. Da sind sich die EU-Länder
und das Europaparlament einig - der Strommarkt soll «stabiler,
erschwinglicher und nachhaltiger» werden. Was bedeutet das genau?

Straßburg (dpa) - Verbraucher in der EU sollen künftig besser vor
ausufernden Strompreisen geschützt werden. Unterhändler der EU-Länder

und des Europaparlaments einigten sich am frühen Donnerstagmorgen in
Straßburg auf eine Reform des europäischen Strommarkts. Neben
stabileren Preisen soll mit den Neuerungen der Ausbau erneuerbarer
Energien vorangetrieben werden. Im Folgenden einige Fragen und
Antworten:

Wie funktioniert der Strommarkt in der EU?

Der Strommarkt in der EU funktioniert nach dem sogenannten
Merit-Order-Prinzip - auch weiterhin. Dies bezeichnet die
Einsatzreihenfolge der an der Strombörse anbietenden Kraftwerke.
Kraftwerke, die billig Strom produzieren können, werden zuerst
herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Das sind zum Beispiel
Windkraftanlagen. Am Ende richtet sich der Preis aber nach dem
zuletzt geschalteten, also teuersten Kraftwerk - oft Gaskraftwerke.

Warum wird der Strommarkt in der EU reformiert?

Wegen extrem gestiegener Strompreise im vergangenen Jahr waren Rufe
nach einer Reform des europäischen Strommarktes laut geworden. Grund
für die hohen Preise waren unter anderem explodierende Gaspreise
wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Auch machte sich
bemerkbar, dass zeitweise rund die Hälfte der französischen
Atomkraftwerke wegen Defekten oder Wartungen ausfiel. Die Reform
ziele darauf ab, den Strommarkt «stabiler, erschwinglicher und
nachhaltiger» zu machen, hieß es vom Europäischen Parlament.
Grundlage für die nun gefundene Einigung war ein Gesetzesvorschlag
der EU-Kommission aus dem Frühjahr.

Was gilt für Verbraucher?

Verbraucher sollen künftig sowohl ein Recht auf Festpreisverträge als
auch auf Verträge mit dynamischen Preisen haben, wie das Parlament
mitteilte. Zudem sollen sie wichtige Informationen über die Optionen,
die sie abschließen, erhalten. Weiterhin sollen Anbieter die
Vertragsbedingungen nicht einseitig ändern dürfen. «Damit soll
sichergestellt werden, dass alle Verbraucher und auch kleine
Unternehmen von langfristigen, erschwinglichen und stabilen Preisen
profitieren und die Auswirkungen plötzlicher Preisschocks gemildert
werden», hieß es.

Auch sollen die Länder den Versorgern verbieten, die Stromzufuhr für
schutzbedürftige Kunden zu kappen - auch bei Streitigkeiten zwischen
Versorgern und Kunden, wie das Parlament mitteilte.

Im Falle einer Strompreiskrise, die unter bestimmten Bedingungen von
den EU-Ländern ausgerufen werden kann, sollen die Strompreise für
schutzbedürftige und benachteiligte Kunden weiter gesenkt werden
können, wie aus der Mitteilung der Länder hervorgeht.

Wie sollen erneuerbare Energien ausgebaut werden?

Im Mittelpunkt der Reform stehen neue langfristige Verträge zwischen
Regierungen und Stromerzeugern, sogenannte Contracts for Difference
(CfDs). Mit diesen Differenzverträgen garantieren die Staaten
Stromerzeugern einen Mindestpreis für Strom, wenn sie neue
Investitionen tätigen. Gelten soll dies für Investitionen in
erneuerbare Energien wie Wind- und Solarkraft und in Kernkraft.

Fällt der Marktpreis unter einen vereinbarten Preis, springt der
Staat ein und gleicht die Differenz aus. Liegt der Preis höher, geht
der Überschuss an den Staat. Auf diese Weise sollen Anreize für die
heimische Erzeugung von sauberem Strom geschaffen werden.

Wie fallen die Reaktionen aus?

Die Fraktion der Grünen im Europaparlament könne die gefundene
Einigung nicht unterstützen, sagte der deutsche Abgeordnete Michael
Bloss am Donnerstag. Zwar gebe es positive Elemente in der Einigung,
etwa Fortschritte auf der sozialen Seite. Aber es seien zu viele
Kohlesubventionen möglich. «Einen Tag nach der historischen Einigung
bei der Klimakonferenz in Dubai beschließt die EU neue fossile
Subventionen für die dreckigsten Kohlekraftwerke. Damit wird die EU
komplett unglaubwürdig.» Mit dieser Einigung könne die EU ihre
Auszeichnung als Klima-Vorreiterin gleich wieder abgeben.

Der energiepolitische Sprecher der christsozialen EVP-Fraktion,
Christian Ehler (CDU), sagte, die Einigung helfe entscheidend, die
Ausbauziele für Erneuerbare zu erreichen und den Bürgern besseren
Zugang zu stabiler, preiswerter und sauberer Energie langfristig zu
gewährleisten. «Gleichzeitig schützen wir Marktteilnehmer vor
willkürlichen Eingriffen in den Markt, was Investitionen verschrecken
würde und somit uns von unseren Ausbau- und Klimazielen entfernt.»

Wie geht es jetzt weiter?

Die Einigung muss noch vom EU-Parlament und den Ländern formell
bestätigt werden, bevor die Reform in Kraft treten kann.