EU-Kommission empfiehlt Emissionen-Reduktion um 90 Prozent bis 2040

06.02.2024 18:11

Bis 2030 will die EU 55 Prozent ihrer CO2-Emissionen reduzieren, bis
2050 klimaneutral sein. Die Kluft zwischen den beiden Zielen schließt
die Kommission nun mit einem Vorschlag für 2040.

Straßburg (dpa) - Auf dem Weg zur Klimaneutralität will die
EU-Kommission bereits bis 2040 einen Großteil der
Treibhausgasemissionen in der EU reduzieren. Die Behörde stellte am
Dienstag im Straßburger Europaparlament eine entsprechende Empfehlung
für ein Klimaziel vor. Es sieht vor, die Treibhausgasemissionen bis
zu diesem Jahr um mindestens 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu
senken. 

«Wir haben gerade den heißesten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen
hinter uns, und wir haben mit eigenen Augen gesehen, welche
Zerstörungen der Klimawandel leider zunehmend in das Leben der
Menschen bringt», sagte EU-Umweltkommissar Wopke Hoekstra im
Parlament. Damit verbunden seien auch zunehmende wirtschaftliche
Kosten. Es sei von enormer Bedeutung, fest auf zwei Beinen zu stehen:
Das eine sei der Klimaschutz, das andere eine starke und robuste
Wirtschaft.

Als Sektoren, die Treibhausgase einsparen können, nennt die
Kommission etwa die Industrie, der Verkehr und die Landwirtschaft.
Dabei regte sich deutliche Kritik daran, dass die Landwirtschaft
allerdings zu sehr geschont werde. In einem früheren Entwurf der
Empfehlung der EU-Kommission war unter anderem noch die Rede davon,
dass es möglich sei, in der Landwirtschaft Treibhausgasemissionen
abseits von CO2 um mindestens 30 Prozent bis 2040 zu reduzieren. Zu
Treibhausgasen abseits von CO2 zählt etwa Methan. Der niederländische
Grünen-Politiker Bas Eickhout warf der Kommission vor, die
Landwirtschaft zu sehr zu schonen. «Sie wissen, dass wenn man nicht
über die Landwirtschaft spricht, das keine Probleme löst», sagte er
am Dienstag im Europaparlament.

Das Ziel für 2040 ist kein Gesetzesvorschlag, sondern zunächst eine
Empfehlung. Nach den Europawahlen Anfang Juni müsste die nächste
EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag für die Festlegung des
Klimaziels für 2040 vorlegen, damit das Ziel verbindlich wird.

Wie die Kommission das Ziel erreichen will

Der Vorschlag sieht neben einem Ausbau erneuerbarer Energien auch
eine Strategie für industrielles Kohlenstoffmanagement vor. Dabei
sollen etwa CCS-Technologien vorangetrieben werden, mit denen CO2
gespeichert werden kann. Die Methode ist umstritten. «Die
Technologien für künstliche CO2-Abscheidungen sind im großen Stil
immer noch nicht marktreif. Fragen der CO2-Endlagerung sind
ungelöst», teilte etwa die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt
mit. 

CCS steht als englische Abkürzung für «Carbon Dioxide Capture and
Storage». Gemeint ist die Abscheidung und unterirdische Speicherung
von Kohlendioxid (CO2), das beispielsweise in Industrieanlagen und
bei der Verbrennung von Öl, Gas und Kohle entsteht. Mit
energieintensiven Verfahren wird das Treibhausgas eingefangen, unter
Druck verflüssigt und dann etwa in ehemaligen Gas- und
Erdöllagerstätten, in salzwasserhaltigem Gestein oder in den
Meeresuntergrund gepresst und eingelagert. Das soll verhindern, dass
das CO2 in die Atmosphäre gelangt und die Erderwärmung beschleunigt. 


Kritik von EU-Abgeordneten

Harte Kritik erntete die Kommission für ihr Klimaziel von der AfD im
Europaparlament. Die umweltpolitische Sprecherin der Partei, Sylvia
Limmer, kommentierte die Empfehlung der Kommission als «der dümmste
anzunehmende Wirtschaftsunfall in der Geschichte der EU». Burkhardt
kritisierte, das Klimaziel setze zu sehr darauf, dass Emissionen in
Zukunft durch natürliche und technische CO2-Entnahmen kompensiert
würden. Michael Bloss von den Grünen bezeichnete das 90-Prozent-Ziel
als Untergrenze von dem, was wissenschaftlich notwendig sei. «Für
eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik muss die Europäische Union
mindestens 95 Prozent CO2-Reduktion bis zum Jahr 2040 erreichen.»

Der Weg in die europäische Klimaneutralität

Bislang gibt es die festgeschriebenen Ziele in der EU, die
CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken und
bis 2050 klimaneutral zu werden. Dafür soll vor allem das
Gesetzespaket «Fit for 55» unter dem Dach des sogenannten Green Deal
(«Grüner Deal») sorgen. Die Strategie umfasst Maßnahmen in
verschiedenen Bereichen wie Energie, Verkehr, Industrie und
Landwirtschaft. Ein Zwischenziel für 2040 gab es bislang nicht.

Der Wissenschaftliche Beirat hatte sich im Juni dafür ausgesprochen,
die EU-Emissionen bis 2040 im Vergleich zu 1990 um 90 bis 95 Prozent
zu verringern. Diese Reduktion sei entscheidend, um die Klimarisiken
abzumildern. In ihrem jüngsten Bericht schrieben die Wissenschaftler
Mitte des Monats, für das Erreichen der EU-Klimaziele müsse mehr
getan werden. Zwar erkannten sie das Potenzial des Fit-for-55-Pakets
an. Zusätzliche Maßnahmen seien jedoch unerlässlich.

Klimaziele in Deutschland

Auch Deutschland hat sich bereits Klimaziele gesetzt - hinkt diesen
allerdings hinterher. Bis zum Jahr 2030 sollen die
Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um mindestens 65
Prozent sinken, bis zum Jahr 2040 um mindestens 88 Prozent. Bis 2045
soll Treibhausgasneutralität erreicht werden: Dann soll ein
Gleichgewicht zwischen Treibhausgas-Emissionen und deren Abbau
herrschen. 

Dafür ist ein gewaltiger Umbau der Wirtschaft notwendig. Die
Bundesregierung fördert zum Beispiel den Wandel in der
Stahlindustrie, die viel CO2 ausstößt, mit Milliardensummen. Der
Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverbrennung soll um acht Jahre
auf 2030 vorgezogen werden, das ist aber noch nicht sicher.

Im vergangenen Sommer verabschiedete das Bundeskabinett ein
Klimaschutzpaket mit einem Klimaschutzprogramm bis 2030.
Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sagte damals, die
Klimaschutzlücke bis 2030, welche die Ampel von der
Vorgängerregierung geerbt habe, könne damit um bis zu 80 Prozent
geschlossen werden. Vor allem die Sektoren Gebäude und Verkehr aber
reißen regelmäßig Vorgaben zum CO2-Ausstoß. Eine geplante Reform de
s
Klimaschutzgesetzes - dem zentralen Gesetz zu einer CO2-Minderung -
ist heftig umstritten. Umweltverbände warnen, Verantwortlichkeiten
von Ressorts wie dem Verkehrsministerium würden verwässert.