Bauernproteste in ganz Polen

09.02.2024 16:07

Wie in Deutschland gehen auch in Polen die Landwirte auf die Straße.
Sie fürchten Billigkonkurrenz aus der Ukraine. Aber sie haben noch
ein anderes Feindbild.

Warschau (dpa) - Tausende polnische Bauern haben am Freitag im ganzen
Land gegen die EU-Umweltpolitik und gegen den Zustrom von billigem
Getreide aus der Ukraine protestiert. Nach Medienberichten bremsten
die Landwirte mit langsam fahrenden Traktoren den Verkehr auf vielen
Straßen und in vielen Ortschaften. Eine Übersicht der
Bauerngewerkschaft Solidarnosc listete mehr als 260 geplante
Protestaktionen auf. Protestierende Bauern blockierten nach
ukrainischen Angaben auch den Übergang Medyka-Schegyni an der Grenze
zur Ukraine.

Der Protest richtete sich gegen die Pläne der EU in der Umwelt- und
Klimapolitik, unter anderem zusammengefasst im Schlagwort Green Deal
(Grüner Deal). Die Bauern in Polen und anderen Ländern hielten sie
für allzu radikal, bürokratisch und für die Landwirtschaft schädlic
h,
sagte Vizeagrarminister Adam Nowak der Agentur PAP zufolge. Bei einem
Auftritt vor Demonstranten in Sieradz in Zentralpolen versuchte er
dem Protest die Spitze nehmen. Es sei kein Protest gegen die
Regierung, sagte Nowak. «Das Landwirtschaftsministerium unterstützt
diese Forderungen inhaltlich und vertritt sie auf der europäischen
Bühne.» 

Für die Agrarpolitik der EU ist in Brüssel ausgerechnet der polnische
Kommissar Janusz Wojciechowski zuständig, den noch die frühere
nationalkonservative PiS-Regierung benannt hatte. Vizeregierungschef
Wladyslaw Kosiniak-Kamysz, Vertreter der Bauernpartei PSL in der
neuen Mitte-Linksregierung, fordert den Rücktritt des Kommissars.
Aber auch PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski kündigte an, er wolle
Wojciechowksi bitten, sein Amt abzugeben.

Auch wenn Polen politisch und militärisch ein wichtiger Unterstützer
der von Russland angegriffenen Ukraine ist, fürchten die polnischen
Landwirte doch günstige Importe von Getreide und anderen
Agrarprodukten aus dem Nachbarland. Für die ukrainische
Landwirtschaft ist Polen ein Absatzmarkt. Es ist aber vor allem auch
Transitland, um Getreide auf den Weltmarkt zu bringen. Der
Schiffsexport über das Schwarze Meer funktioniert wegen des
russischen Angriffskriegs nur mit Unsicherheiten. 

«Die Landwirte erwarten zu Recht, dass der übermäßige Zustrom von
Waren aus der Ukraine, aber auch aus anderen außereuropäischen
Märkten in den EU-Raum, insbesondere nach Polen, begrenzt wird»,
sagte Landwirtschaftsminister Czeslaw Siekierski am Freitag.

In der westpolnischen Stadt Poznan (Posen) waren nach Schätzungen der
Polizei etwa 1400 landwirtschaftliche Fahrzeuge unterwegs. In Krakau
zählte die Polizei einige Dutzend Fahrzeuge. Es gebe Behinderungen,
der Verkehr sei aber nicht zum Erliegen gekommen. Die Bauernproteste
sollen 30 Tage lang dauern.