) Lkw und Busse: Mehrheit der EU-Staaten für strengere CO2-Regeln Von Marek Majewsky, Andreas Hoenig und Jacqueline Melcher, dpa

09.02.2024 17:11

In der EU gibt es eine Einigung auf strengere CO?-Grenzwerte für Lkw
und Busse. Der Kompromiss stand auf der Kippe, die Zustimmung
Deutschlands kam erst im letzten Augenblick.

Brüssel (dpa) - Eine Mehrheit der EU-Staaten hat nach einer Einigung
innerhalb der Bundesregierung in letzter Minute Pläne für strengere
CO2-Vorgaben für Lastwagen und Busse gebilligt. Das teilte die
belgische EU-Ratspräsidentschaft am Freitag mit. Das Vorhaben stand
überraschend auf der Kippe, weil sich die Bundesregierung aus SPD,
Grünen und FDP erst im letzten Augenblick auf eine Zustimmung zu den
neuen Regeln geeinigt hatte. Mit den sogenannten Flottengrenzwerten
ist geregelt, wie viel klimaschädliches CO2 die Fahrzeuge künftig
ausstoßen dürfen.

Die CO2-Emissionen von Reisebussen und Lkw sollen der Einigung
zufolge bis 2040 um 90 Prozent sinken - verglichen mit 2019. Der nun
unter den EU-Staaten abgestimmten Einigung muss auch das Plenum des
Europaparlaments noch zustimmen. Einen ähnlichen Kompromiss hatte es
bereits beim Streit um das Verbrenner-Aus gegeben.

Kanzleramt schaltete sich ein

Der Entscheidung war - erneut - ein Koalitionsstreit in Berlin
vorausgegangen. Eigentlich hatten sich Unterhändler in Brüssel am 18.
Januar bereits grundsätzlich auf das Vorhaben geeinigt und in Brüssel
war man davon ausgegangen, dass die deutsche Regierungskoalition aus
SPD, Grünen und FDP den Plänen für die neuen CO2-Emissionsnormen
zustimmt. 

Danach sprachen sich allerdings die Teilnehmer eines
FDP-Europaparteitags strikt gegen Flottengrenzwerte aus und das
FDP-geführte Verkehrsministerium legte unter anderem unter Verweis
eine fehlende Regelung für synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) ein
Veto gegen die geplante Zustimmung der Bundesregierung ein. Dieses
wurde erst zurückgezogen, nachdem sich das Bundeskanzleramt
eingeschaltet hatte. 

Wissing: Nutzung von synthetischen Kraftstoffen sichergestellt

Nun können Lkw und Busse, die ausschließlich mit E-Fuels betrieben
werden, nach Darstellung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing
(FDP) unbefristet zugelassen werden. «In den Verhandlungen zu den
EU-Flottengrenzwerten haben wir erfolgreich durchgesetzt, dass diese
Regelung Teil des Rechtstextes wird. Unter dieser Bedingung haben wir
den neuen CO2-Vorgaben zugestimmt», sagte Wissing. Damit werde
Rechtssicherheit sowohl für die Hersteller von Nutzfahrzeugen als
auch für jene von klimaneutralen Kraftstoffen geschaffen. «Zugleich
senden wir ein klares Signal an den Markt, dass wir synthetische
Kraftstoffe brauchen.»

Der Verband der Automobilindustrie hatte auf verlässliche
Entscheidungen gedrungen. Nun wurde die Verständigung begrüßt. Sie
sorge für Planungssicherheit, sagte ein VDA-Sprecher in Berlin. Damit
die ehrgeizigen Ziele auch tatsächlich erreicht werden könnten, sei
vor allem ein ausreichend dichtes Netz an Elektrolade- und
Wasserstofftankinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge in ganz Europa
eine entscheidende Voraussetzung. Das ist aktuell aber leider noch
nicht einmal annähernd vorhanden. 

Der Interessensverband eFuel Alliance teilte mit: «Nun haben wir
einen weiteren, letztlich zu nichts verpflichtenden Erwägungsgrund
und müssen darauf hoffen, dass die EU-Kommission diesen Ball
aufgreift und weitere Vorschläge zur Einbeziehung erneuerbarer
Kraftstoffe vorlegt.» 

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sieht die Neuregelung
positiv für Klimaschutz und Verkehrswende. «Ich bin froh, dass wir
trotz der Irritationen der letzten Tage nun zu einem vernünftigen
Ergebnis gekommen sind, das den Kern des gut austarierten
Trilog-Kompromisses bestätigt.» Es gebe jetzt Planungssicherheit für

die Unternehmen. «Offenheit gegenüber allen geeigneten Technologien
hat die heute beschlossene Neuregelung der CO2-Flottengrenzwerte von
Anfang an vorgesehen», fügte Lemke hinzu und grenzte sich damit von
der Sichtweise Wissings ab.

Die Flottengrenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge sind nicht das
einzige EU-Vorhaben, bei dem es in der Koalition auf den letzten
Metern Streit gab. Auch beim EU-Lieferkettengesetz gibt und beim
Gesetz um künstliche Intelligenz gab es wegen Bedenken der FDP
Unsicherheit, über die deutsche Position. Weil sich die deutsche
Regierung - auch schon unter Angela Merkel - oft nicht auf eine
gemeinsame Position einigen konnte, wird eine Enthaltung in Brüssel
auch als «German Vote» bezeichnet.

Wissing sagte in Frankfurt auf Nachfrage, in diesem Fall habe es kein
«German Vote» gegeben. Deutschland wahre seine Standortinteressen.
«Und am Ende haben wir ja auch die Brücken gebaut und haben die Hand
ausgestreckt. Wir haben immer Verhandlungsbereitschaft gezeigt.»
Letztlich sei ein deutscher Verbesserungsvorschlag angenommen worden.
Das freue ihn, ergänzte Wissing.

Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Isabel
Cademartori sieht in der deutschen Zustimmung für neue CO2-Vorgaben
ein wichtiges Signal.  «Die Einigung bringt nun die dringend
benötigte Sicherheit für die Industrie durch klare
Rahmenbedingungen», sagte sie.