Vorschlag aus Brüssel: Russisches Geld soll indirekt Ukraine aufrüsten

20.03.2024 15:10

Ein Finanzinstitut mit Sitz in Belgien macht wegen
Russland-Sanktionen jährlich außerordentliche Einnahmen in
Milliardenhöhe. Nun gibt es einen brisanten Vorschlag, wie es genutzt
werden könnte.

Brüssel (dpa) - Ein Großteil der Gewinne aus der Verwahrung
eingefrorener russischer Zentralbank-Gelder in der EU könnte in
Zukunft für Waffenkäufe für die Ukraine genutzt werden. Die
EU-Kommission von Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte
Josep Borrell übermittelten den Regierungen der Mitgliedstaaten am
Mittwoch formell einen entsprechenden Vorschlag. Er sieht nach
Angaben von EU-Beamten vor, künftig 97 Prozent der Erträge für die
Ukraine zu nutzen. Die restlichen drei Prozent soll das verwahrende
Finanzinstitut für seinen Aufwand einbehalten können. Insgesamt
werden den Schätzungen zufolge allein in diesem Jahr zwischen 2,5 und
3 Milliarden Euro an sogenannten außerordentlichen Einnahmen
anfallen. 

Borrell hatte bereits am Dienstag mitgeteilt, dass 90 Prozent der
nutzbaren Gewinne in den EU-Fonds für die Finanzierung militärischer
Ausrüstung und Ausbildung geleitet werden sollten. Die restlichen 10
Prozent würden dann in den EU-Haushalt fließen und genutzt werden, um
die Verteidigungsindustrie in der Ukraine selbst zu stärken.
Voraussetzung sei aber, dass die Mitgliedstaaten seinem Vorschlag
zustimmten, sagte der Spanier.

Kommissionspräsidentin von der Leyen kommentierte am Mittwoch, es
gebe kein besseres Symbol und keinen besseren Nutzen für dieses Geld,
als die Ukraine und ganz Europa zu einem sichereren Ort zum Leben zu
machen.

Von Diplomaten hieß es, es sei noch unklar, ob alle Mitgliedstaaten
den Vorstoß unterstützen würden. Grund seien unter anderem Sorgen
wegen möglicher Klagen Russlands und Vertrauensverlusten von
Anlegern. Erste Gespräche auf Spitzenebene könnte es an diesem
Donnerstag beim EU-Frühjahrsgipfel in Brüssel geben.

In einem ersten Schritt für die Nutzung russischer Gelder für die
Ukraine hatten die Mitgliedstaaten bereits Mitte Februar erste
Gesetzestexte angenommen. Sie regeln unter anderem, dass
außerordentliche Erträge aus der Verwahrung der Zentralbank künftig
gesondert aufbewahrt werden müssen. In einem zweiten Schritt muss nun
festgelegt werden, wie die Erträge genutzt werden.

Den Schätzungen zufolge wird künftig jährlich ein Betrag in
Milliardenhöhe anfallen, da in der EU nach Kommissionsangaben rund
210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank eingefroren wurden und
die Erträge aus der Verwahrung des Kapitals laufend steigen. Das in
Brüssel ansässige Finanzinstitut Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt,
2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinseinnahmen gemacht zu haben, die
in Verbindung zu Russland-Sanktionen stehen. Es ist in der EU das mit
Abstand wichtigste Institut, das Vermögenswerte der russischen
Zentralbank verwahrt.

Für den möglichen Fall, dass Euroclear im Zusammenhang mit
Rechtsstreitigkeiten über das Vorgehen der EU Kosten anfallen, soll
das Institut zehn Prozent der zu zahlenden Beträge sowie die bis
Februar dieses Jahres angefallenen Zufallsgewinne zurückhalten
können. Die Zahlungen sollen dem Vorschlag zufolge grundsätzlich
zweimal im Jahr erfolgen. 

EU-Beamte betonen, dass es bei dem Projekt zunächst einmal nur um
Einnahmen gehe, die Euroclear außerplanmäßig wegen der EU-Sanktionen

gegen die russische Zentralbank mache. Es ist demnach vorerst keine
Enteignung im eigentlichen Sinne geplant.

Als ein Grund dafür gelten rechtliche Bedenken und wahrscheinliche
Vergeltungsmaßnahmen. Moskau hatte die EU bereits im vergangenen Jahr
davor gewarnt, das Eigentum des russischen Staates oder russischer
Bürger zu konfiszieren. Denkbar wäre es beispielsweise, dass dann
auch in Russland tätige Unternehmen aus EU-Ländern zwangsenteignet
werden. Zudem könnte eine direkte Nutzung der russischen
Vermögenswerte auch dazu führen, dass andere Staaten und Anleger das
Vertrauen in den europäischen Finanzplatz verlieren und Vermögen aus
der EU abziehen.