Entscheidung über umstrittenes EU-Naturschutzgesetz verschoben

22.03.2024 20:13

Mit einem neuen Gesetz will die EU mehr für Naturschutz tun. Um das
Vorhaben gab es heftigen Streit, dennoch galt eine Zustimmung als
sicher - bis die Entscheidung plötzlich verschoben wurde.

Brüssel (dpa) - Die belgische EU-Ratspräsidentschaft hat die
Entscheidung über ein heiß diskutiertes Naturschutzgesetz auf
unbestimmte Zeit verschoben. Eigentlich sollten die EU-Umweltminister
am Montag über das Gesetz abstimmen, nun wurde das Thema von der
Agenda gestrichen, wie die Ratspräsidentschaft am Freitag mitteilte.
Das Vorhaben werde aber zügig wieder auf die Tagesordnung kommen. Aus
Diplomatenkreisen hieß es, für eine ausreichende Mehrheit fehle die
Stimme eines Landes. Eigentlich galt die Zustimmung zu dem Vorhaben
als sicher.

Mit dem Gesetz sollen in der Europäischen Union künftig mehr Bäume
gepflanzt sowie Moore und Flüsse in ihren natürlichen Zustand
zurückversetzt werden. Das Europaparlament hatte bereits im Februar
grünes Licht für das Vorhaben gegeben. Wie aus Angaben von Diplomaten
vom Freitag hervorgeht, unterstützen unter anderem Polen, Schweden
und Italien das Gesetz nicht. Vor allem konservative Politikerinnen
und Politiker befürchten eine unverhältnismäßige Belastung für
Landwirte.

Die EU-Staaten müssten dem Vorschlag mit einer sogenannten
qualifizierten Mehrheit zustimmen. Dafür ist das Ja von mindestens 15
der 27 EU-Staaten nötig. Diese müssen gleichzeitig mindestens 65
Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. 

Durch das Gesetz soll sich die Natur in der EU erholen können. Mehr
als 80 Prozent der Lebensräume in Europa seien in einem schlechten
Zustand. In Notsituationen kann die Renaturierung bei
landwirtschaftlichen Ökosystemen aber ausgesetzt werden. Das wäre der
Fall, wenn etwa die Ernährungssicherheit gefährdet wäre, weil nicht
genug Anbauflächen zur Verfügung stehen. 

Wie es nun genau weitergeht, ist offen. Denkbar ist etwa, dass die
belgische EU-Ratspräsidentschaft in den kommenden Tagen ein Land mit
Vorbehalten überzeugt, dem Gesetz doch zuzustimmen. Eine endgültige
Zustimmung können aber nur die Ministerinnen und Minister der
EU-Staaten erteilen. 

Die deutsche Bundesumweltministerin Steffi Lemke äußerte sich am
Freitagabend besorgt über den Vorgang in Brüssel. «Das Verschieben
der Abstimmung über die EU-Wiederherstellungs-Verordnung erfüllt mich
mit großer Sorge. Dieses Projekt hat eine enorme Bedeutung für den
Naturschutz in Europa», teilte die Grünen-Politikerin mit.
Kommission, Mitgliedstaaten und Parlament hätten «in intensiven
Verhandlungen einen ausgewogenen Kompromiss gefunden», der niemanden
überfordere, aber zugleich die notwendigen Schritte zur
Wiederherstellung der Natur einleiten würde, bekräftigte sie. «Sollte

dieser Kompromiss in letzter Sekunde scheitern, wäre dies ein fatales
Signal für den Naturschutz in Europa.» 

Lemke appellierte an die Mitgliedstaaten, die Verabschiedung des
Gesetzes doch noch zu ermöglichen. «Wir sind alle auf eine intakte
Natur angewiesen», betonte die Ministerin, die am Montag beim Treffen
der Umweltminister in Brüssel dabei sein wird.