Großbritannien beginnt mit neuen Brexit-Kontrollen

30.04.2024 04:15

Seit 2021 ist Großbritannien nicht mehr Mitglied der EU-Zollunion und
des Binnenmarkts. Seitdem werden Exporte in die EU kontrolliert -
aber bisher nicht in der Gegenrichtung. Das soll sich ändern.

London (dpa) - Mehr als drei Jahre nach dem endgültigen Brexit
beginnt Großbritannien am Dienstag mit Warenkontrollen für EU-Importe
von tierischen und pflanzlichen Produkten. Das bestätigte das
zuständige Agrarministerium in London auf Anfrage. Zusätzlich müssen

Lebensmittelimporteure auf manche Produkte wie Wurst, Käse und
Joghurt, aber auch Schnittblumen eine «common user charge» von bis zu
145 Pfund (169 Euro) pro Ladung bezahlen. 

Experten und Unternehmen warnen vor längeren Lieferzeiten, mehr
Bürokratie und höheren Kosten - die letztlich die Verbraucherinnen
und Verbraucher in Großbritannien stemmen müssten. Nach Berechnungen
des Kreditversicherers Allianz Trade könnten die neuen
Brexit-Vorschriften britische Unternehmen bis zu 2 Milliarden Pfund
kosten und die Inflation anheizen. Die Importkosten würden im ersten
Jahr um 10 Prozent steigen.

Kontrollen wurden mehrmals verschoben

Die physischen Kontrollen, die in der EU umgehend nach dem Brexit
eingeführt worden waren, wurden in Großbritannien bereits mehrmals
verschoben. Es fehlte an Infrastruktur und Personal. Das Portal
«Politico» berichtete, unmittelbar vor dem Start der Kontrollen seien
noch viele Fragen offen. Kommerzielle Hafenbetreiber hätten viele
Millionen Pfund in den Aufbau von Inspektionsanlagen gesteckt und nun
ernsthafte Bedenken, wie sie die Kosten für den Betrieb decken
sollen.

Großbritannien war Ende Januar 2020 aus der EU ausgetreten. Nach
einer Übergangsphase ist das Land seit 2021 auch nicht mehr Mitglied
des EU-Binnenmarktes und der Zollunion. Ein in letzter Sekunde
vereinbarter Vertrag sicherte zwar eine weitgehend barrierefreie
Handelspartnerschaft. Allerdings kam es besonders zu Beginn zu vielen
Problemen im bilateralen Handel. Händler klagen zudem über mehr
Bürokratie sowie neue Zölle in einigen Bereichen.

Handelsverbände sind besorgt

Der Hafenverband British Ports Association und die britische
Schifffahrtskammer warnten, die Betreiber benötigten dringend Zugang
zu einem nach dem Brexit eingeführten IT-System der Regierung.
Ansonsten wüssten sie nicht, wie viele Waren sie abrechnen müssten
und wem sie dies in Rechnung stellen sollten. Mehrere Handelsverbände
warnten vor neuem Chaos an den Grenzen und den Kosten, vor allem für
kleine und mittlere Unternehmen.

«Die britische Regierung ist vollständig überzeugt, dass die
Einrichtungen, Infrastruktur und Systeme an der Grenze für den
Einführungstermin der neuen Grenzkontrollen am 30. April bereit sein
werden», hieß es hingegen zuletzt aus dem Agrarministerium.