Polizei setzt bei Protesten in Georgien Pfefferspray ein

30.04.2024 21:34

Seit Wochen wird in Georgien demonstriert: Die Regierung will mehr
Kontrolle, die Zivilgesellschaft fürchtet um ihre Freiheiten. Eine
Rede des starken Mannes in Tiflis hat die Spannungen angeheizt.

Tiflis (dpa) - In Georgien im Südkaukasus haben am Dienstag erneut
Tausende Menschen gegen Pläne der Regierung für eine schärfere
Kontrolle über angeblich ausländische Einflussnahme demonstriert. Am
Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Tiflis drängte die Polizei
Medienberichten zufolge abends Demonstranten ab und setzte
Pfefferspray und einen Wasserwerfer ein. Mehrere Menschen seien
verletzt worden, hieß es. Im Parlament debattierten die Abgeordneten
in zweiter und damit vorletzter Lesung über das umstrittene Gesetz,
das nach Auffassung seiner Gegner wie in Russland zur Kontrolle der
Zivilgesellschaft eingesetzt werden soll. Eine Abstimmung wird am
Mittwoch erwartet.

Der Entwurf sieht vor, dass Nichtregierungsorganisationen
ausländische Geldquellen offenlegen müssen. Die Regierungspartei
Georgischer Traum will nach eigenen Angaben auf diese Weise für mehr
Transparenz sorgen und ausländische Einflussnahme kontrollieren.
Viele Projekte zur Demokratieförderung in Georgien werden vom Westen
finanziert, auch aus der EU und den USA. Kritiker befürchten, dass
dieses Gesetz nach Moskauer Vorbild missbraucht werden soll, um
Geldflüsse zu stoppen und prowestliche Kräfte zu verfolgen.

Die Proteste in der Ex-Sowjetrepublik, die EU-Beitrittskandidat ist,
dauern schon seit Wochen an. Im Herbst steht eine Parlamentswahl an.
Am Montag brachte die Regierungspartei ihrerseits etwa 100 000
Anhänger zu einer Kundgebung in Tiflis zusammen. Der starke Mann der
Partei, der Milliardär Bidsina Iwanischwili, hielt dabei eine Rede,
die einen deutlich autoritären Kurs ankündigte. 

Vor der Regierungszeit seiner Partei ab 2012 sei Georgien von
ausländischen Einflussagenten geführt worden, sagte er. Iwanischwili
bezeichnete die oppositionelle Nationale Bewegung als «eine einzige
kriminelle und verräterische Gruppe» und drohte damit, sie nach der
Wahl zur Rechenschaft zu ziehen. Dem Westen warf der
Ex-Regierungschef vor, Georgien wie die Ukraine als Kanonenfutter im
Kampf gegen Moskau zu missbrauchen.

Die EU und viele ihrer Mitgliedsstaaten haben das geplante Gesetz
über sogenannte Auslandsagenten scharf kritisiert. Vergangenes Jahr
hatte die Führung in Tiflis den Entwurf angesichts von
Massenprotesten auf Eis gelegt. Bei dem neuen Anlauf sind
Iwanischwili und Ministerpräsident Irakli Kobachidse aber
entschlossen, das Gesetz einzuführen. Präsidentin Salome
Surabischwili steht aufseiten der meist jungen, proeuropäischen
Demonstranten.